
Es braucht etwas Fantasie, um Mohamed Salah, Yann Sommer und Julian Green in einem Satz unterzubringen. Als gemeinsame Kategorien fallen „Offensivspieler“, „Ballon-d‘Or-Anwärter“ oder „Bundesliga-Erfahrung“ schnell durchs Raster. Doch einen gemeinsamen Nenner gibt es tatsächlich – und der heißt Heiko Vogel. Der neue Cheftrainer der SpVgg Greuther Fürth hat alle drei bereits gecoacht – und wird mit Green nun erneut zusammenarbeiten. Was zeichnet den 50-Jährigen aus?
Kommunikation, Humor und Liebe zum Fußball
„Ich bin kommunikativ, habe gewisse Erfahrungswerte, Humor ist ein zentrales Element, weil man darüber gut kommunizieren kann. Und die Besessenheit, die Liebe zum Fußball, das macht mich aus“, sagte Vogel einst bei seiner Vorstellung als Trainer der Reserve von Borussia Mönchengladbach einst über sich selbst.
Tatsächlich gilt er als akribischer Arbeiter, als hochintelligenter Trainer, als Fußballliebhaber und zugleich als Kumpeltyp mit vielen Ideen. Zudem förderte Vogel nicht nur große Stars wie Granit Xhaka, Thomas Müller oder Riccardo Calafiori, sondern bringt auch reichlich Erfahrung im Umgang mit jungen Spielern mit, arbeitete er doch rund 13 Jahre in verschiedenen Funktionen im Nachwuchs des FC Bayern München. Dort trainierte er unter anderem Julian Green, der in den 28 Einsätzen unter Vogel 14 Scorer verbuchte.
In Sachen Menschenführung setzt der Pfälzer auf Gemeinschaft, Leichtigkeit und Spaß. „Erst Kooperation bringt Erfolg“, betonte Vogel etwa im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und führte fort: „Für den Erfolg muss man gemeinsame Gedanken teilen.“ Demnach sollten alle Spieler den Stürmer ebenso darin unterstützen, ein Tor zu schießen, wie den Verteidigern und dem Torhüter, um zu null zu spielen. Außerdem stellte Vogel in dem Interview klar: „Ich möchte Freude in meiner Mannschaft zulassen. Die Jungs sollen sagen, jeder Tag, an dem wir zusammen Fußball spielen, ist geil.“
Dieses Ziel gestaltet sich insbesondere unter hohem Druck freilich schwieriger – und der ist bei der SpVgg Greuther Fürth aktuell mehr denn je vorhanden. Zur Amtsübernahme von Neu-Coach Vogel steht das Kleeblatt nämlich auf einem direkten Abstiegsplatz, ist das formschwächste und nach Expected Points auch generell das schlechteste Team der Liga, stellt zudem die anfälligste Defensive. Abstiegskampf pur. Eine Ausgangslage, die Vogel aus seiner bisherigen Vita nur bedingt kennt.
Trainersensation in Basel
Bislang heuerte der Fußballlehrer eher bei Vereinen an, welche sich am oberen Tabellenende wiederfinden oder nach oben strebten. Nach seiner Jugendtrainer-Tätigkeit in München fungierte er unter Thorsten Fink als Co-Trainer beim FC Ingolstadt und beim FC Basel.
Im Oktober 2011 kaufte der Hamburger SV Fink aus dessen Vertrag in der Schweiz, Vogel übernahm erst interimistisch und dann als Cheftrainer – und feierte mit einer Mannschaft voller späterer Bundesligaspieler den Double-Gewinn 2012. „Ich fühle mich vom Schicksal geküsst und sage mir manchmal: Mensch Vogel, es hätte beschissener laufen können“, sagte er damals.
Außerdem kegelte der FC Basel unter Heiko Vogel, der regelrecht als Trainersensation gefeiert und von Fans mit eigenen Sprechchören besungen wurde, das glorreiche Manchester United von Sir Alex Ferguson aus der Champions League. Ohne Frage erlebte Vogel in Basel seine erfolgreichste Phase als Cheftrainer.
Auch die Presse umjubelte damals den Trainer-Shootingstar, dessen eigene Spielerkarriere auch aufgrund eines frühen Endes in der Regionalliga endete und der als Coach nun eine Erfolgsära bei einem Schweizer Giganten einleitete: „Mit seiner intelligenten und smarten Art berührt Vogel die Herzen seiner Spieler und der Fans“, schrieb die Basler Zeitung. Auf deren Online-Plattform hieß es zudem: „Es ist davon auszugehen, dass jetzt auch Heiko Vogel in der Bundesliga zu einem heißen Thema wird.“
Kein Engagement in der (deutschen) Bundesliga
Angesichts dieser Lobeshymnen und Erfolge überrascht es vielleicht, dass der studierte Sportwissenschaftler noch immer kein Amt in der Bundesliga übernommen hatte. Nicht einmal in der 2. Bundesliga. Zwar kursierte immer wieder der Name Heiko Vogel in angeblichen Kandidatenlisten, etwa bei der SV Elversberg oder dem 1. FC Kaiserslautern, es blieb allerdings bei Gerüchten. Nach seiner ersten Amtszeit in Basel heuerte Vogel stattdessen erst wieder beim FC Bayern München im Nachwuchs an, ehe er als Cheftrainer erst Sturm Graz trainierte.
In Österreich avancierte Vogels Sturm im Jahr 2018 zwar zum Pokalsieger, dennoch wurde er nach weniger zwölf Monaten entlassen: Nur ein Sieg stand in einer Negativserie von 14 Spielen zu Buche. Jedoch, das sei erwähnt, genoss Vogel im Verein und unter den Fans gutes Ansehen, sein Team zeigte auch ordentliche Spiele und die Misere wurde überwiegend mit der Transferpolitik und weniger mit der Trainerqualität begründet.
Seinen beiden darauffolgenden Engagements scheiterten krachend. Sowohl der Drittligist KFC Uerdingen und als auch die Regionalliga-Truppe von Borussia Mönchengladbach schielten nach oben, insbesondere mit Uerdingen – inzwischen Oberligist - kam Vogel aber nicht über Abstiegskampf hinaus. Auch diese Entwicklung muss nicht zwangsläufig gegen Vogel sprechen, der als einer von fünf Trainern innerhalb einer Saison beim KFC unter Investor Mikhail Ponomarev verschlissen wurde.
Fiasko in Basel, Eklat in Gladbach
Seine darauffolgende und letzte Station endete in einem Fiasko. Als Sportdirektor kehrte Vogel zu seiner alten Liebe nach Basel zurück, musste in seiner zehnmonatigen Amtszeit selbst zweimal als Interimstrainer aushelfen und entließ unter anderem Trainer Alex Frei, der sich selbst für eine Einstellung Vogels als Funktionär stark gemacht hatte, nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt. Sämtlichen Kredit verspielte Vogel, Fans warfen dem Klub vor, er habe eine Führung, welche einem Kindergarten glich.
Frei, der einst ein freundschaftliches Verhältnis zu Vogel gepflegt haben soll, sagte zur Person Vogel im Gespräch mit Blue Sport: „Ich bin nicht der Typ, der öffentlich über andere herzieht.“ Allerdings stellte er dann doch relativ unmissverständlich klar: „Heiko Vogel hat eine unglaubliche Fachkompetenz. Und dann hört es auf.“ Natürlich verwundert es nicht, dass ein entlassener Trainer wenig wohlwollende Worte für den Entscheider übrig hat.
Tatsächlich ist aber die Person Heiko Vogel nicht unumstritten. Laut der Neuen Zürcher Zeitung wandele der 50-Jährige auf einem schmalen Grat zwischen Selbstsicherheit und Schlagfertigkeit auf der einen, einem „Auftreten nahe der Arroganz“ auf der anderen Seite. Zugleich gilt der Pfälzer als kauzig und temperamentvoll, was sich auch in seiner wiederkehrenden Kritik an Schiedsrichtern ableiten lässt.
Einen Tiefpunkt im Umgang mit Unparteiischen erreichte Vogel im Januar 2021: Beim Regionalliga-Spiel zwischen Borussia Mönchengladbach II und Bergisch Gladbach soll der Fohlen-Trainer in Richtung zweier Schiri-Assistentinnen gesagt haben: „Frauen haben auf dem Fußballplatz nichts zu suchen.“ Es folgte ein Platzverweis, eine Sperre, eine Geldbuße – und danach noch eine erweiterte Diskussion, nachdem er angeboten hatte, die Frauen-Mannschaft der Borussia zu coachen. Frauenfußball als Strafe? Das sorgte für heftige Kritik, wenngleich es – wie Vogel im Nachgang betonte – nicht als Strafersatz, sondern als offenes Angebot gemeint war. Im Nachhinein zeigte er Reue und bezeichnete sein Verhalten im Gespräch mit dem kicker als „dumm, unsportlich und diskriminierend“.
Diesen Fußball möchte Vogel spielen lassen
„Die Wahrheit liegt auf dem Platz“, sagte Otto Rehhagel einst. So fragen sich sicherlich auch einige Kleeblatt-Fans, was sie denn auf dem Platz von dem neuen Trainer erwarten dürfen. Rein im Hinblick auf die bisher gewählten Formationen fällt auf, dass nichts auffällt: Seine Mannschaften spielten teils mit Viererkette, teils mit Dreierkette, teils mit Doppelsturm, teils mit Doppelsechs, teils mit Raute im Zentrum. Tatsächlich betonte Vogel mehrfach, sich der Mannschaft und den Gegebenheiten pragmatisch anzupassen.
Seine Idealvorstellung beschrieb er wie folgt: „Ich spiele gerne dominanten Fußball in allen Phasen des Spiels. Ballbesitz habe ich sehr gerne. Wenn wir nicht den Ball haben, wollen wir aktiv agieren und so schnell wie möglich den Ball erobern.“ Zwar möchte er insbesondere für Tore stehen, weiß aber auch um die Anforderungen in Krisenzeiten – wie es beim Kleeblatt der Fall ist. Im Interview mit Transfermarkt.de konstatierte der neue Fürth-Coach: „Meistens übernimmt man Mannschaften in einer schlechteren Phase, dann geht es vor allem um Stabilität und um das gemeinsame Verteidigen. Da muss man andere Stellschrauben drehen als bei einer Mannschaft, die gut in Form und selbstbewusst ist. Grundsätzlich müssen die Mannschaften in der Lage sein, Situationen auf dem Feld solidarisch zu lösen, vom Verteidigen über das Umschalten bis zum Angreifen.“


