
Was haben Elektrotechnik-Revolutionär Nikola Tesla, Performance-Künstlerin Marina Abramović und Tennis-Ass Novak Đoković gemeinsam? Sie haben serbische Wurzeln und sind heute auf der ganzen Welt bekannt. Kleinere und größere Spuren davon finden sich in Belgrad, einer Stadt, die sicher nicht viele auf dem Schirm haben, wenn sie einen Städtetrip planen.
Dabei ist Belgrad, das auch die „weiße Stadt“ genannt wird, direkt ab Nürnberg mit dem Flugzeug in gut zwei Stunden erreichbar. Der Ort war jahrhundertelang Schauplatz großer Umbrüche. Heute können Touristen eine Mischung aus osmanischem Erbe, sozialistischer Architektur und Moderne erleben - und finden zwischen all dem auch immer wieder auch sehr westeuropäische Elemente. Immerhin grenzte die K&K-Monarchie an das Land, das etwa doppelt so groß wie die Schweiz ist.
Sonntagabend, kurz vor 21 Uhr. Während in vielen Innenstädten die Gehwege hochgeklappt werden, tummeln sich trotz kühlem Herbstwetter vor den Kassen in einigen Bekleidungsgeschäften Kunden, die kurz vor Ladenschluss ihre Waren bezahlen wollen. In Belgrad haben die Läden auch sonntags teils bis in den Abend hinein geöffnet. Supermärkte in der Innenstadt sind sogar 24 Stunden lang offen. Entsprechend belebt ist noch immer die Knez Mihailova ulica, die bekannteste Prachtstraße in der serbischen Hauptstadt mit Cafés, Geschäften und Restaurants. „Vorn an der Straße ist einer der beliebtesten Treffpunkte der Stadt. Wer sich verabredet, trifft sich ‚am Pferdchen‘“, erzählt Ružica Nemeš, ein wandelndes Geschichtsbuch.
Erinnerungen an die Zeit der Römer vor fast 2000 Jahren
Die Fremdenführerin meint den Platz der Republik, wo die Statue des Fürsten Mihailo samt Pferd thront. Der Fürst ist für die Einwohner eine wichtige historische Figur. Warum? Dazu muss man einen kurzen Exkurs in die Geschichte des Landes machen: Serbien wurde mehrere Jahrhunderte von den türkischen Osmanen beherrscht. Erst Fürst Mihailo gelang es während seiner zweiten Herrschaft ab 1860, die Osmanen zum vollständigen Rückzug zu drängen. Auf dem Berliner Kongress 1878 wurde schließlich die Unabhängigkeit Serbiens anerkannt und wenig später wurde aus dem Fürstentum ein Königreich; die Monarchie hielt bis nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die serbischen Könige des 19. Jahrhunderts hatten mit der Festung Kalemegdan am Ende der Knez Mihailova ulica nicht wirklich etwas zu tun. Die Anlage, gut 125 Meter über der Zusammenkunft der Flüsse Save und Donau, wurde bereits um das 3. Jahrhundert nach Christus erbaut. Heute sind dort noch Spuren des vormaligen römischen Kastells zu sehen. Touristen betreten das Areal, das ohne Eintrittskarte begehbar ist, durch das Zindan-Tor aus dem 15. Jahrhundert. In der Anlage selbst gibt es mehrere Sehenswürdigkeiten, wie etwa das Militärmuseum. Die Eintrittspreise orientieren sich an anderen Großstädten auf dem europäischen Kontinent. Wie übrigens auch die Preise für Essen und Trinken – zumindest ist das in Belgrad so.
Die serbische Küche ist sehr fleischlastig
Vegetarier haben in Serbien schlechte Karten. Denn die Serben lieben Fleisch. Das hat historische Wurzeln. Die serbische Küche entwickelte sich ursprünglich aus der Schafhaltung in den Bergregionen, wo die Haltung von Tieren im Vergleich zum Anbau von Gemüse besser möglich war. Serviert werden Würstchen und Steak auf einer großen Platte über einer Schicht Gemüse. Traditionelle Restaurants mit serbischer Live-Musik gibt es etwa im Bohème-Viertel Skadarlija. Das Viertel könnte auch in Paris oder Rom sein. „Im Sommer ist hier alles voll“, erzählt Ružica Nemeš. Im Juni oder Juli sei Skadarlija gut besucht von Touristen, aber auch von Einheimischen, die in den verwinkelten und gepflasterten Gassen feiern, tanzen, essen und das Leben genießen.
Was wohl Nikola Tesla am liebsten aß? Das wird im gleichnamigen Museum, das etwas außerhalb der Belgrader Innenstadt liegt, zwar nicht beantwortet. Tesla (1856–1943) hatte zeit seines Lebens tatsächlich wenig mit Belgrad zu tun. Geboren wurde er in eine serbisch-orthodoxe Familie in Smiljan im heutigen Kroatien und wanderte später in die USA aus. In Belgrad selbst war er nur einmal kurz zu Besuch. Aber er trug seinem Neffen auf, seinen Nachlass nach Belgrad zu bringen. Und weil ein großer Teil heute in der Hauptstadt verwahrt ist, steht das Museum auf der Liste des Weltdokumentenerbes. Zu sehen sind etwa auch Teslas Handschuhe und Zylinder sowie eine Sammlung seiner Erfindungen. Die Urne des Tüftlers ruht, sicher hinter Glas verwahrt, ebenfalls im Museum.
Nikola Tesla ist Namensgeber für den Airport in Belgrad
Mit dem großen Namen Tesla werben die Serben gern. In den Souvenirshops gibt es zahlreiche Andenken. Wer in Belgrad mit dem Flugzeug ankommt, landet am Nikola-Tesla-Airport. Viele Gäste, insbesondere Tagestouristen, betreten die serbische Hauptstadt aber via Bootsanlegestelle - zumindest ist das im Sommer so, wenn die Flusskreuzfahrtschiffe die Donau entlangfahren und in Belgrad Halt machen.
Insgesamt waren laut Belgrader Tourist-Information in den ersten neun Monaten 55.718 deutsche Touristen in der serbischen Hauptstadt. Das entspricht einem Anstieg von einem Prozent im Vergleich zu den ersten neun Monaten des Jahres 2024, wie das Fremdenverkehrsamt meldet.
Einen drastischen Aufschwung an Übernachtungszahlen dürften die Serben in zwei Jahren erleben: 2027 findet die Expo in Belgrad statt. Das Areal unweit des Flughafens wird dafür gerade hergerichtet. Eine neue Bahnverbindung (aktuell können Touristen, die am Airport ankommen, mit dem kostenlosen Bus in die Innenstadt fahren) soll es dann auch geben, versprechen die Touristiker.
In Belgrad und auch in den anderen (größeren) serbischen Städten wie Novi Sad sprechen viele Einheimische deutsch. Zum einen, weil die Sprache in der Schule unterrichtet wird. Zum anderen, weil Kinder und junge Erwachsene während der Jugoslawienkriege Anfang der 1990er Jahre in Deutschland lebten und später in ihre Heimat zurückkehrten. Bezahlt wird mit Serbischen Dinar. Seit 2012 ist Serbien, das auch Beziehungen zu Russland und China unterhält, offizieller EU-Beitrittskandidat. Wann das Land in die EU eintritt, ist völlig offen, da die Regierung zunehmend auch autoritäre Züge zeigt.
Mehr Informationen
Kontakt: www.tob.rs/en; www.airserbia.com; www.serbia.travel/de
Reisezeit: Die beste Zeit für einen Besuch ist Frühjahr oder Herbst. Im Sommer kann es in den großen Städten heiß werden.
Extra-Tipp: Tickets für das Tesla-Museum sollten vorab reserviert werden. Am Wochenende kann es dort voll werden. Zu jeder vollen Stunde werden im Museum Experimente gezeigt. Wer Zeit hat, sollte sich die zweitgrößte Stadt Novi Sad nicht entgehen lassen. Sie ist nur eine gute Stunde mit dem Zug oder Auto von Belgrad entfernt. Auf der Burg in Novi Sad gibt es ein Museum, das der ersten Frau Albert Einsteins gewidmet ist: Mileva Marić war eine der ersten Frauen, die ein Mathematik- und Physikstudium an einer deutschsprachigen Hochschule aufnahmen. Bis heute wird darüber diskutiert, welchen Anteil sie an der Ausarbeitung der Relativitätstheorie hatte.
Anreise: Air Serbia führt einen Direktflug von Nürnberg durch. Im Winter fliegt die Airline freitags und montags.
Redaktioneller Hinweis: Die Recherche für manche Artikel in dieser Ausgabe wurde von Reiseveranstaltern, Hotels, Fluglinien oder Tourismusverbänden unterstützt.



