
In diesem Derby steckt Brisanz - und zwar noch mehr als es das Aufeinandertreffen zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth ohnehin erwarten lässt. Hier der zuletzt formstarke, am vergangenen Spieltag aber vom Tabellenletzte gedemütigte Club, der mit einem Derbysieg die bisher erarbeitete positive Stimmung neu entfachen könnte. Dort das Krisen-Kleeblatt, das im Nachbarschaftsduell wohl mit neuem Trainer auftritt und mit einem Sieg bis auf zwei Zähler an den Lokalrivalen heranrücken könnte. Knifflige Ausgangslage. Was macht beim 1. FC Nürnberg Hoffnung auf einen Derbyerfolg?
Fürth ist nicht Tabellenletzter
Inklusive der 0:3-Niederlage beim 1. FC Magdeburg holte der 1. FC Nürnberg aus seinen letzten sechs Partien gegen Tabellenletzte lediglich drei Punkte – und die ausschließlich durch drei Unentschieden.
Man könnte den Club als klassischen Aufbaugegner bezeichnen, wäre der 1. FC Magdeburg tatsächlich ein klassischer Tabellenletzter. Doch die spielstarke Mannschaft aus Sachsen-Anhalt verkaufte sich in dieser Saison häufig unter Wert: Oft fehlte lediglich die Effizienz, sodass sie sich trotz ordentlicher Leistungen um den verdienten Lohn brachte. Nach den Expected Points müsste Magdeburg eigentlich im Tabellenmittelfeld stehen. Ausgerechnet gegen den Club, der dies allerdings auch zuließ, fand der FCM dann seine Chancenverwertung – ganz nach dem bekannten Ketchupflaschen-Prinzip. Apropos Expected Points…
Fürth spielt wie ein Tabellenletzter
Anders als Magdeburg hat der kommende Gegner aus Fürth tatsächlich nicht mehr verdient als den 17. Tabellenplatz. Mit nur elf erwarteten Punkten steht das Kleeblatt in dieser Kategorie sogar auf dem letzten Rang. Zudem stellt die Mannschaft von Noch-Cheftrainer Thomas Kleine mit 37 Gegentoren die schlechteste Defensive der Liga – und sogar des Jahrtausends: Kein anderer Zweitligist kassierte seit der Millenniumswende in 14 Spielen so viele Gegentore wie die Spielvereinigung.
Die Form beider Teams
Trotz der Pleite in Magdeburg zählt der 1. FC Nürnberg noch immer zu den formstärksten Teams der Liga: In den vergangenen fünf Partien holte der Club starke zehn Punkte. Nur Hertha BSC übertrifft diesen Wert mit einer perfekten Ausbeute von 15 Zählern. Das Kleeblatt hingegen steht auch in dieser Kategorie ganz am Ende der Tabelle: Nur drei Punkte stehen aus den letzten fünf Spielen zu Buche, hinzukommen 13 Gegentore – also fast drei pro Spiel.
Zweikampfstärke und -schwäche
Derbys werden über den Kampf entschieden, über direkte Duelle, Einsatz und Intensität. Unter allen Zweitligisten hat der Club die zweitmeisten und Fürth die wenigsten Zweikämpfe gewonnen. In Relation zu den überhaupt geführten Zweikämpfen steht der Club in dieser Kategorie auf dem vierten Platz, Fürth bildet abermals das Schlusslicht.
Adam Markhiev
Einen mickrigen Punkt holte der 1. FC Nürnberg in den fünf Partien, in denen Adam Markhiev nicht auf dem Platz stand – darunter der jüngste Auftritt in Magdeburg. Spielte der finnische Nationalspieler, holte der Club fünf Siege und zwei Remis aus neun Partien. Sie sehen: Die Diskrepanz in der Nürnberger Punkteausbeute mit und ohne den Mittelfeldstrategen ist eklatant und unterstreicht die Bedeutung des Königstransfers.
Der 23-Jährige spielt seit Wochen mit angeschlagenem Knöchel, der ihn aber scheinbar (vorerst) nicht länger außer Gefecht zu setzen scheint. Sein Fehlen in Magdeburg war, das legen die Aussagen von Cheftrainer Miroslav Klose nahe, eher eine Vorsichtsmaßnahme.
Gegen Fürth wäre ein Einsatz des Strategen aus gleich zwei Gründen elementar: Erstens fehlt mit Rafael Lubach, der sich in Magdeburg eine Gelb-Rote Karte eingehandelt hatte, sein potenzieller Ersatz. Und zweitens offenbarte die Partie in der Avnet Arena einmal mehr, welche Markhiev-Qualitäten besonders bedeutsam für das Nürnberger Spiel sind – und das führt zum nächsten Mutmacher für das Frankenderby.
Club erspielt sich die nötigen Räume
In der ersten Hälfte beim 1. FC Magdeburg schaffte es die Klose-Elf durch ihre Positionierungen immer wieder, die Hausherren vor Probleme zu stellen. Immer wieder kombinierte sich der Club über den Flügel. Immer wieder waren dann Passwege ins Zentrum oder die Halbspur, wo sich Chancen kreieren lassen, offen. Aber: Immer wieder torpedierten die Nürnberger ihren Spielaufbau durch technische Unsauberkeiten.
Diese Nachlässigkeiten führten teilweise zu Ballverlusten, teilweise aber auch zu Problemen und Einschränkungen in der Spielfortsetzung. So konnte etwa Julian Justvan den Ball nicht im Tempo mitnehmen, weil er einen Ausfallschritt machen musste, um den schlampig gespielten Pass überhaupt zu erreichen.
Ein weiteres Beispiel für solche Unsauberkeiten – diesmal nicht im tiefen Aufbau, sondern im letzten Drittel – liefert die größte Nürnberger Chance des Spiels. Artem Stepanov dribbelt auf die Magdeburger Kette zu und hat rechts wie links eine Anspielstation im Drei-gegen-zwei. Sein Pass auf Finn Ole Becker kommt zwar hart genug, um anzukommen, aber nicht druckvoll und nicht tief genug, sodass Becker leicht abbremsen muss. Dadurch kann er den ersten Kontakt nicht nutzen, um nach innen zu ziehen und die Laufbahn des Verteidigers zu kreuzen. Stattdessen bleibt er auf der Außenspur, wodurch der Verteidiger zwischen Ball und Tor bleibt und das lange Eck problemlos verteidigen kann. Becker bleibt damit nur der Abschluss mit dem schwächeren linken Fuß auf die kurze Ecke – und die schließt FCM-Keeper Dominik Reimann. Eine eigentlich aussichtsreiche Situation endet somit lediglich in einem Eckball.
Hoffnung macht die Erkenntnis, dass der Club grundsätzlich in der Lage ist, sich spielerisch aus dem Druck zu lösen und Räume aufzuziehen, und dass er gute Positionierungen und Lösungen parat hat. Mit mehr Passqualität und Pressingresistenz, welche insbesondere Adam Markhiev ins Spiel bringen könnte, könnte der Club aus dieser guten Ausgangslage deutlich mehr Ertrag schöpfen, als es in Magdeburg der Fall war.
Die Bilanz unter Klose
Miroslav Klose weist bislang eine makellose Derbybilanz auf. Die beiden Duelle unter seiner Leitung endeten mit zwei Siegen und 7:0 Toren aus Nürnberger Sicht. Zudem hat der Club seit fünf Jahren kein Heimderby mehr verloren.
Fürth ist nicht Magdeburg
Dem Club wurde beim 1. FC Magdeburg die Herangehensweise zum Verhängnis: Bereits vor der Partie hatte Klose angekündigt, dass das Umschaltspiel ein Schlüssel sein könnte. Entsprechend lauerte der 1. FC Nürnberg mit zunehmender Spieldauer vermehrt auf Ballverluste der spielstarken und im Ballbesitz aufgefächerten Magdeburger. Dieses Lauern verkam aber insbesondere im zweiten Durchgang zu extremer Passivität, als der Zugriff ebenso fehlte wie die Entlastung nach vorne.
Gegen Fürth sind solche Phasen wohl nicht zu erwarten: Nur zwei Zweitligisten hatten in der bisherigen Saison durchschnittlich noch weniger Ballbesitz als das Kleeblatt, das seine Chancen vermehrt durch hohe Balleroberungen und Konter denn durch kontrollierten Spielaufbau kreiert.


