
Die Stadt hat 24 ereignisreiche Stunden hinter sich: In der Nacht zum Samstag mussten rund 21.000 Menschen ihre Häuser und Wohnungen verlassen, nachdem am Freitagnachmittag auf einer Baustelle im Stadtteil Großreuth eine 450 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden war.
„Die Bombe ist unsachgemäß bewegt worden. Es war leider keine Fachfirma vor Ort. Weil in unmittelbarer Nähe Wohnhäuser sind, haben wir uns dazu entschlossen, es heute noch zu erledigen“, erklärte Sprengmeister Florian Süß. Die Experten entschieden, die Bombe noch in der Nacht zu entschärfen.
Eine Evakuierung mit einem Radius von 800 Metern wurde veranlasst. Der Sperrkreis umfasste ein dicht besiedeltes Gebiet. Einsatzkräfte informierten die Bevölkerung per Lautsprecherfahrzeugen, mehr und mehr Straßen wurden gesperrt, eine Drohne der Erlanger Feuerwehr kontrollierte das Gebiet in der Luft rund um den Stadtpark. Nach etwa sechs Stunden war die Evakuierung gegen 2.20 Uhr abgeschlossen.
Um 3.34 Uhr dann die erlösende Nachricht: Die amerikanische Fliegerbombe war entschärft. Für die Dauer der Arbeiten wurde sogar der Luftraum über Nürnberg gesperrt. Anschließend konnte die Bombe abtransportiert werden, die Menschen durften zurück in ihre Wohnungen.
Neben Wohnhäusern lagen im Sperrgebiet auch mehrere medizinische Einrichtungen und Seniorenheime. Für die Rücktransporte der Bewohnerinnen und Bewohner der sieben betroffenen Senioreneinrichtungen wurden in der Nacht aus ganz Bayern weitere Kräfte angefordert. Denn zahlreiche Helferinnen und Helfer waren zu diesem Zeitpunkt schon viele Stunden im Einsatz und hatten vor der Alarmierung schon einen Arbeitstag hinter sich.
Lob von allen Seiten
„Das ist absolut Irrsinn, was die Behörden aufgezogen haben. In dieser Zeit diese Menschenmassen herauszubringen“, lobte Sprengmeister Süß nach der Entschärfung. „Höchstes Lob auch an die Bevölkerung, dass die mitgemacht haben. So viele Leute in dieser Zeit, das ist schon beachtlich“, sagte der Sprengmeister.
Mit dem Lob war er nicht allein. Auch Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König, der selbst bis in die Nacht vor Ort war, äußerte über seine Instagram-Seite: „Ich danke allen beteiligten haupt- und ehrenamtlichen Einsatzkräften aus Nürnberg und der Region von Herzen für ihre herausragende Arbeit. Nürnberg hält zusammen.“
Auch der dritte Bürgermeister der Stadt, Christian Vogel, bedankte sich am Samstagmorgen: „Voller Hochachtung und Dankbarkeit nehme ich die Arbeit vom Sprengkommando, der vielen Einsatzkräfte der Feuerwehren, THW, Polizei, Rettungsorganisationen, VAG und allen weiteren Beteiligten auf. Unzählige ehrenamtliche haben neben den hauptamtlichen engagiert und vorbildlich unterstützt.“
Seniorenwohnzentrum: „Es hat wunderbar funktioniert“
Zu den Einrichtungen im Sperrkreis gehörte das Seniorenwohnzentrum Max am Stadtpark. Über 150 Bewohnerinnen und Bewohner mussten in der Nacht ihre Zimmer verlassen. „Es hat wunderbar funktioniert mit den Helfern der Stadt und den Rettungsdiensten“, berichtete eine Pflegekraft auf Nachfrage unserer Redaktion. Teils seien die Bewohnenden von Angehörigen abgeholt worden, einige konnten selbstständig zu einer Sammelstelle am Berliner Platz gehen. Wenige wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. „99 Prozent der Bewohnenden sind zurück und in gutem Zustand“, erklärte die Pflegerin weiter. „Der Rest kommt im Laufe des Tages zurück. Es gibt keinen Notfall.“
Ähnlich verlief die Rückkehr im Altenheim Hensoltshöhe. Hier mussten rund 100 Bewohnerinnen und Bewohner ihr Zimmer verlassen. „Die meisten sind heute früh gegen fünf Uhr mit dem Bus zurückgekommen“, erzählte Pflegefachkraft Patryk Dabrowski. Trotz der ereignisreichen Nacht gehe es den Bewohnenden gut: „Alles gut, keine Veränderungen, keine Panik. Es läuft alles nach Plan“, sagte der Pfleger.
Nacht der Superlative auch für Hilfsorganisationen
Über 560 Einsatzkräfte, 185 Fahrzeuge, 1662 von Hilfsorganisationen evakuierte Menschen - die vergangene Nacht war auch für Markus Jessberger, Pressesprecher der Hilfsorganisationen, eine Nacht der Superlative. In einem Radius von 120 Kilometern um Nürnberg wurden Einsatzkräfte des Arbeiter-Samariter-Bundes, des Bayerischen Roten Kreuzes, der Bergwacht, der Wasserwacht, der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, der Johanniter-Unfall-Hilfe, der Malteser und des Technischen Hilfswerks alarmiert. Jessberger selbst wurde um 15.27 Uhr gerufen - erst um 7.30 Uhr am darauffolgenden Morgen war der Einsatz beendet.
Rund 500 der von Hilfsorganisationen Evakuierten stammten aus Senioreneinrichtungen, 87 von ihnen benötigten besonders intensive Betreuung. „Wenn jemand künstlich beatmet wird, kann man ihn ja nicht einfach in die Turnhalle legen“, erklärte Jessberger. Er lobte das Südklinikum, das dringend benötigtes Pflegematerial lieferte: „Wir können Verletzte versorgen und wir können mit der Gulaschkanone Unverletzte versorgen“ - für die Pflege jedoch brauche es spezielle Materialien, erklärte er.
Eine Nacht voller Anspannung liegt hinter Nürnberg. Am Ende trugen zur Bewältigung einer der größten Lagen in der Nachkriegsgeschichte Nürnbergs rund 1500 Kräfte bei. Für die Einsatzkräfte beginnt nun die Nachbereitung - für die Stadt das Aufatmen.
