
Plötzlich saß er dort: Am 11. Juni 2024 stellte der 1. FC Nürnberg Miroslav Klose als neuen Cheftrainer vor. Ähnlich öffentlichkeitswirksam, aber deutlich weniger überraschend könnte die Vertragsverlängerung ablaufen.
Aber von vorne. Ursprünglich ist das Arbeitspapier des Weltmeisters bis zum Ende der laufenden Saison datiert. Bereits im Sommer kündigte Sportvorstand Joti Chatzialexiou an, den Kontrakt gerne verlängern zu wollen. Der desolate Saisonstart legte etwaige Gespräche aber vorerst aufs Eis. Nun aber ergatterte der Club starke elf Zähler aus den vergangenen fünf Partien, zählt damit zu den formstärksten Zweitligisten und erlebt wie bereits in der Vorsaison einen goldenen Herbst.
Entscheidung noch vor der Winterpause?
Diese Entwicklung dürfte sich auch auf die Zukunft des Cheftrainers in Nürnberg auswirken: Noch vor dem Jahreswechsel möchte der Verein offenbar Klarheit schaffen. Sportjournalist Fadi Keblawi berichtete im Podcast „Ka Depp“ von einem Telefonat mit Sportvorstand Chatzialexiou: „Er sagte mir, sie hatten bisher ein paar andere Baustellen. Aber bis zum Winter ist es wahrscheinlich durch – und Miro Klose verlängert seinen Vertrag.“
Informationen von Sky Sport zufolge haben Klose und Chatzialexiou bereits eine grundsätzliche Einigung erzielt. Demnach erhält der 47-Jährige ein neues Arbeitspapier, das mindestens bis 2028 gültig sein soll. Die Unterschrift ist noch für dieses Jahr geplant - und könnte im Zuge der Jahreshauptversammlung vermeldet werden. Ein Bericht der Bild legt zumindest die anstehende JHV 2025 als geeigneten Zeitpunkt für eine öffentlichkeitswirksame Verkündung nahe.
Bleibt der 47-Jährige tatsächlich über den Sommer hinaus beim 1. FC Nürnberg, wäre er seit dem Abstieg aus der Bundesliga der zweite Coach, der zwei Saisons auf dem heißen Trainerstuhl am Valznerweiher überlebt. Der Andere: Robert Klauß, der im Sommer 2020 aus dem Schatten von Julian Nagelsmann von RB Leipzig nach Nürnberg gewechselt war, um erstmals als Cheftrainer im Profibereich zu arbeiten.
In Sachen Punkteschnitt bewegen sich Klose (1,37 Punkte pro Partie) und Klauß (1,35) nahezu auf einem Level. Unter dem aktuellen Cheftrainer, der seit inzwischen 498 Tagen im Amt ist, gleichen sich die erzielten Tore und die kassierten Gegentore exakt aus: Nach 46 Zweitliga-Spielen stehen je 73 Treffer und Gegentreffer zu Buche. Unter Klauß hingegen trafen die Gegner insgesamt deutlich öfter als die Franken. Das Torverhältnis: 104:118.
Konzept, aber kein Dogmatismus
Unabhängig von diesen Statistiken eint die beiden dienstältesten Nürnberg-Trainer seit dem Abstieg, dass sie als Konzept-Trainer bezeichnet werden können: Das Spiel ihrer Mannschaft zeigt (zumindest stellenweise) eine fußballerische Idee, eine grundsätzliche Philosophie, es folgt bestimmten Prinzipien. Das Modell fußt nicht auf kurzfristigen Ergebnissen, sondern auf langfristiger Entwicklung der Spieler und dem Implementieren einer wiedererkennbaren Handschrift.
Bei Klauß war es qua RB-Vergangenheit das aggressive Pressing und der Fokus auf das Umschaltspiel – das funktionierte aus vielerlei Gründen nicht allzu oft, aber es gab eine Idee. Auch Miroslav Klose trat in Nürnberg an, um eine bestimmte Art von Fußball in der Noris zu etablieren: Ballbesitzfußball mit Variabilität im Angriffsspiel, immer wieder betonte er, man wolle „nicht greifbar“ und „dominant“ sein. Das zeigte der Club insbesondere im vergangenen Herbst.
Zuletzt überließ er aber – entgegen dieser ursprünglichen Ausrichtung – dem Gegner mehr vom Spiel: In den vergangenen fünf Spielen hatte der 1. FC Nürnberg durchweg seltener den Ball als die nicht wirklich favorisierten und nicht per se dominanten Opponenten, der Durchschnitt lag bei 45,2 Prozent. Man kann diese Entwicklung als ein Scheitern des Ballbesitzfußballs oder als Abkehr der Grundidee verurteilen.
Der Erfolg gibt Miroslav Klose recht – und zeigt, dass er nicht stur und dogmatisch an seiner Idealvorstellung von Fußball festhält. Stattdessen beweist er die Fähigkeit, Prinzipien mit Pragmatismus zu verbinden und das Spiel seiner Mannschaft den Gegebenheiten anzupassen, seine Idee weiterzuentwickeln. In Nürnberg (aber eigentlich an nahezu jedem Fußballstandort) haben in den vergangenen Jahren Konzepttrainer mehr gezündet als Feuerwehrmänner. Und Klose gelingt derzeit, was beide Seiten verbindet: die Balance zwischen Anspruch und Anpassung. Das spricht für ihn – und für eine Verlängerung in Nürnberg, wo man sich längst nach Kontinuität sehnt.

