Nürnberg - Windräder gelten als Hoffnungsträger der Energiewende, sind aber gleichzeitig mit zahlreichen Vorurteilen behaftet. Was ist dran an Infraschall, der Verwirbelung der Atmosphäre und angeblich Unmengen toter Vögel?

Windräder sind mehr als nur irgendwelche technischen Bauwerke: Während die einen sie als Symbol für Fortschritt und Klimaschutz feiern, empfinden andere sie als Störung, Bedrohung oder gar als Risiko für die eigene Gesundheit oder die der Tierwelt. Doch was ist dran an den häufigsten Vorurteilen gegenüber Windkraftanlagen?

„Überall Infraschall!“

Ein häufig geäußerter Kritikpunkt betrifft die Lautstärke von Windkraftanlagen. Tatsächlich erzeugen die Rotorblätter aerodynamischen Schall, der je nach Windstärke und Entfernung hörbar sein kann. Moderne Anlagen sind allerdings so konstruiert, dass sie gesetzliche Grenzwerte deutlich unterschreiten: Der Schalldruckpegel liegt in der Regel unter 45 dB(A), was mit einem leisen Gespräch vergleichbar ist.

Wobei es, auch wenn das absurd klingt, letztlich fast keine Rolle spielt, wie leise die Anlagen sind, denn Studien zeigen, dass die subjektive Wahrnehmung des Lärms stark von der Einstellung zur Windkraft abhängt. Wer Windräder ablehnt, empfindet Geräusche eher als störend. Ein Phänomen, das sogar einen wissenschaftlichen Namen hat: Nocebo-Effekt. Dieser beschreibt gesundheitliche Beschwerden, die nicht durch eine reale physikalische Ursache entstehen, sondern durch die Erwartung negativer Wirkungen.

Zu beobachten ist dieser Effekt gelegentlich beim Mobilfunk-Ausbau: Es gibt dokumentierte Fälle, in denen Anwohner über Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Unwohlsein berichteten, nachdem in ihrer Nähe ein Mobilfunkmast aufgestellt worden war - obwohl dieser, was die entsprechenden Anwohner nicht wussten, noch gar nicht eingeschaltet war. Die Beschwerden waren dennoch real, aber psychologisch bedingt.

Auch bei Windkraftanlagen wurde der Nocebo-Effekt beobachtet, insbesondere im Zusammenhang mit dem sogenannten Infraschall. Dieser liegt unterhalb der menschlichen Hörschwelle und wird von Windrädern in sehr geringer Intensität erzeugt. Obwohl wissenschaftliche Studien keine schädlichen Wirkungen durch Infraschall in den gemessenen Dosen nachweisen konnten, berichten manche Menschen über Symptome wie Schwindel, Tinnitus oder Schlaflosigkeit - sogar dann, wenn Messungen zeigten, dass gar kein Infraschall vorhanden war.

„Windräder sind Vogelshredder!“

Es stimmt: Windkraftanlagen können für Tiere gefährlich sein. Besonders betroffen sind hierbei Fledermäuse, die durch Druckunterschiede in der Nähe der Rotoren innere Verletzungen erleiden können. Auch Vögel - besonders häufig Greifvögel wie Rotmilan oder Mäusebussard - kollidieren gelegentlich mit den Anlagen. Vergleicht man allerdings die Todeszahlen mit anderen menschengemachten Ursachen, relativiert sich die Gefahr durch Windräder: Glasscheiben und Fassaden kosten pro Jahr bis zu 115 Millionen Vögel das Leben, Hauskatzen ca. 20-100 Millionen, Straßen- und Bahnverkehr ca. 70 Millionen, Stromleitungen ca. 1,5–2,8 Millionen - und Windkraftanlagen ca. 100.000. Immer noch viel, keine Frage. Aber nicht ansatzweise zu vergleichen mit den anderen Gefahrenquellen.

Dass Windräder von radikalen Gegnern dieser Form der Energieversorgung dennoch häufig als „Vogelshredder“ verunglimpft werden, obwohl es weit größere Gefahren für Vögel gibt, hat nicht nur mit emotionaler Wahrnehmung, sondern auch mit politischen Interessen zu tun: Windräder sind sichtbare Zeichen der Energiewende und damit Angriffsfläche für Akteure, die diese Entwicklung kritisch sehen oder ablehnen. Die Diskussion um Vogelschutz wird dabei gerne als Strohmann-Argument verwendet, um Windkraftprojekte zu verzögern oder zu verhindern.

Zugleich gibt es mittlerweile wirksame Gegenmaßnahmen, wie beispielsweise Abschaltalgorithmen bei hoher Fledermausaktivität oder Detektoren, die merken, wenn sich ein Vogel einer geschützten Art nähert. Auch die Wahl von Standorten außerhalb von Brutgebieten ist eine Maßnahme.

„Windräder verwirbeln die Atmosphäre!“

Ein bislang noch eher unbekanntes, aber zunehmend diskutiertes Vorurteil betrifft die angebliche Störung höherer Luftschichten durch Windkraftanlagen. In der Tat erzeugen Windräder sogenannte Nachläufe, also turbulente Luftströmungen auf der windabgewandten Seite der Rotoren. Diese führen zu einer Durchmischung von bodennaher kühler und höherer wärmerer Luft.

Studien, etwa von der Harvard University, zeigen, dass diese Effekte lokal messbar sind. So kann es beispielsweise in großflächigen Windparks nachts zu einem leichten Temperaturanstieg kommen, weil wärmere Luft nach unten gewirbelt wird. Dieser Effekt ist allerdings reversibel und hat auch keinen Einfluss auf das globale Klima. Er unterscheidet sich grundlegend von der Erwärmung durch fossile Energien, die Treibhausgase freisetzen und langfristige Klimaveränderungen verursachen.

In der Landwirtschaft kann die nächtliche Erwärmung durch Windräder sogar Vorteile bringen, weil auf diese Weise beispielsweise Frostschäden reduziert werden können. Kritisch könnte es werden, wenn solche Effekte großflächig auftreten, was jedoch nicht der Fall ist, da die Einflüsse der Windkraft auf die Atmosphäre lokal begrenzt und wissenschaftlich gut dokumentiert sind.

„Windenergie ist unzuverlässig!“

Ein weiteres Vorurteil lautet, Windenergie sei zu volatil, um eine stabile Stromversorgung zu gewährleisten. Der Wind weht nicht konstant - das ist eine Tatsache. Moderne Stromnetze sind allerdings längst darauf ausgelegt, mit solchen Schwankungen umzugehen. Durch regionale Verteilung, Speichertechnologien und die Kombination mit anderen erneuerbaren Energien lässt sich eine zuverlässige Versorgung sicherstellen.

In Deutschland etwa tragen Windkraftanlagen bereits signifikant zur Grundlast bei. Die Herausforderung liegt nicht in der Unzuverlässigkeit der Energiequelle, sondern in der intelligenten Steuerung des Netzes, was eine technisch durchaus lösbare Aufgabe ist.

„Windräder sind ineffizient und teuer!“

In den letzten Jahren sind die Kosten für Windenergie stark gesunken, wodurch Onshore-Windkraft mittlerweile eine der günstigsten Formen der Energieerzeugung ist: Strom aus Windkraft an Land kostet etwa 6,1 Cent pro kWh. Atomstrom, der von Windkraft-Gegnern gerne als DIE Energie der Zukunft bezeichnet wird, läge dagegen bei bis zu 49 Cent pro kWh, wenn man sämtliche anfallenden Kosten einbeziehen würde und es keinerlei staatliche Subventionen gäbe. Wobei Atomkraft in Zeiten des Klimawandels auch aus anderen Gründen nicht unbedingt die beste Idee ist.

„Windräder verschandeln die Landschaft!“

Windkraft? Muss momentan halt leider sein, aber sobald es irgendwie geht, sollen die Windräder wieder verschwinden, „weil sie hässlich sind und nicht in die Landschaft passen“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz teils sinngemäß, teils wörtlich vor fast genau einem Jahr in der ZDF-Talkshow von Maybrit Illner. Das zeigt sehr deutlich: Die ästhetische Bewertung von Windrädern ist subjektiv. Doch während manche sie als störend empfinden, sehen andere darin ein Zeichen für Fortschritt und Nachhaltigkeit. Und Studien zeigen, dass die Akzeptanz steigt, wenn Bürger frühzeitig in die Planung eingebunden werden und die wirtschaftlichen Vorteile vor Ort spürbar sind.

Wird das jedoch versäumt, droht ein weiteres Phänomen, das in der öffentlichen Diskussion häufig zu beobachten ist, wenn es um die Platzierung von Windrädern geht: NIMBY - ein Akronym, das aus dem Englischen stammt und „not in my backyard“ bedeutet, also „nicht in meinem Hinterhof“. Konkret: „Windkraft? Na klar, gerne! Aber, äh, bitte nicht bei uns, sondern irgendwo anders.“