
Teilweise mehr als 40 Grad hatte es in den vergangenen Tagen während der ersten Hitzewelle des Jahres in Europa. Extreme Temperaturen, unter denen nicht nur Menschen, Tieren und die Umwelt litten: Auch einigen Atomkraftwerken wurde es zu heiß.
In Frankreich und der Schweiz mussten mehrere Reaktoren ihre Leistung drosseln oder ganz vom Netz genommen werden. In Frankreich traf es unter anderem das AKW Golfech an der Garonne und das AKW Bugey an der Rhône. Auch das westfranzösische Blayais musste seine Leistung reduzieren. In der Schweiz wurde ein Reaktor des Kernkraftwerks Beznau abgeschaltet, der zweite läuft nur noch mit halber Kraft.
Kühlwasser als Achillesferse
Grund für die Maßnahmen waren nicht etwa technische Defekte oder Probleme, sondern weil die Flüsse, aus denen sie ihr Kühlwasser beziehen, schlicht zu warm geworden waren. Atomkraftwerke benötigen enorme Mengen Kühlwasser (normalerweise mehrere Millionen Liter pro Stunde), um ihre Reaktoren auf Betriebstemperatur zu halten. Wird das Wasser zu warm, sinkt seine Kühlleistung - gleichzeitig darf es nicht überhitzt in die Flüsse zurückgeleitet werden, um deren Ökosysteme nicht zu gefährden. In Zeiten zunehmender Hitzewellen und sinkender Wasserstände wird genau das zum Problem.
Bereits in den vergangenen Jahren kam es deswegen immer wieder zu temporären Abschaltungen oder Leistungsdrosselungen - nicht nur in Europa, sondern auch in den USA oder Japan. Der Klimawandel mit seinen weltweit steigenden Temperaturen macht die Atomkraft also anfällig für genau jene Umweltveränderungen, die sie eigentlich mit bekämpfen soll - schließlich stoßen AKW während ihres Betriebs kaum Treibhausgase wie CO2 aus.
Sauber ist die Technologie allerdings trotzdem keineswegs, denn CO2 ist nicht alles: Der Bau der Anlagen, der Uranabbau, die Brennstoffaufbereitung und vor allem die (nach wie vor in Deutschland ungeklärte) Endlagerung des radioaktiven Abfalls verursachen erhebliche Emissionen und Umweltbelastungen. Hinzu kommen Risiken, die sich nicht wegdiskutieren lassen: Schwere Unfälle sind selten, aber sie passieren - wie 2011 im japanischen Fukushima. Und nicht zuletzt sind die Eingriffe in die Ökosysteme von Flüssen durch die Entnahme und Rückführung des Kühlwassers bereits im Normalbetrieb erheblich.
Wirtschaftlich fragwürdig
Auch wirtschaftlich betrachtet schneidet Atomstrom - zurückhaltend formuliert - nicht gut ab, denn neue Atomkraftwerke sind nicht nur im Bau, sondern auch beim Stromverkauf extrem teuer. Ein Beispiel ist das noch nicht fertige britische Kernkraftwerk Hinkley Point C: Dort wird dem Betreiber für jede Kilowattstunde Strom ein fester Preis von über 11 Cent garantiert - für einen Zeitraum von 35 Jahren. Zum Vergleich: Strom aus neuen Solar- oder Windkraftanlagen kostet heute oft weniger als 5 Cent pro Kilowattstunde. Ganz ohne langfristige staatliche Preisgarantien oder Zuschüsse.
Strom aus erneuerbaren Energien ist darüber hinaus nicht nur günstiger, sondern auch schneller verfügbar: Photovoltaik- und Windkraftanlagen lassen sich in wenigen Monaten errichten, während AKW-Projekte oft Jahrzehnte dauern - mit unkalkulierbaren Kostensteigerungen. Ein Paradebeispiel hierfür ist Frankreichs neuer Reaktor in Flamanville (Baubeginn war 2006): Geplant war die Fertigstellung für 2012, die Kosten sollten 3,2 Milliarden Euro betragen. Stand heute ist der Reaktor allerdings immer noch nicht am Netz - und die Kosten belaufen sich inzwischen auf 23 Milliarden Euro.
Es geht aber noch teurer: Das oben bereits erwähnte Hinkley Point C sollte ursprünglich 2027 in Betrieb gehen, bei prognostizierten Kosten von umgerechnet knapp unter 40 Milliarden Euro. Inzwischen ist von 2031 die Rede - und 53 Milliarden Euro. Vorläufig geschätzt, versteht sich.
Rückwärts in die Zukunft?
Und wenn man die bestehenden, abgeschalteten AKW einfach wieder hochfährt, um die Baukosten neuer Reaktoren zu sparen? Diese Debatte kocht auch in Deutschland immer wieder hoch. So forderte beispielsweise CSU-Chef Markus Söder Anfang 2025, die drei zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2 wieder hochzufahren, was laut Söder „zeitnah und ohne große Kosten“ machbar wäre.
Die Betreiberfirmen widersprachen allerdings direkt: PreussenElektra, Betreiber von Isar 2, erklärte, der Rückbau sei bereits im Gange und eine Wiederinbetriebnahme sei „praktisch nicht mehr möglich“. Auch EnBW, Betreiber von Neckarwestheim 2, sieht den Rückbau als „irreversibel“ an. Technisch sei eine Reaktivierung zwar nicht völlig ausgeschlossen, so die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), aber nur mit erheblichem Aufwand und hohen Kosten - und je weiter der Rückbau fortgeschritten ist, desto unwahrscheinlicher wird ein solches Szenario.