Nürnberg - Der „Lago di Aufseß“ in der Südstadt von Nürnberg hat jüngst viel Aufmerksamkeit erhalten - viral und in der Stadtgesellschaft. Jetzt machen sich die Fraktionen die Brache zu eigen - und nutzen sie für den Wahlkampf ums Bürgermeisteramt.

Alteingesessene Nürnbergerinnen und Nürnberger erinnern sich noch gut an das ehemalige Schocken-Kaufhaus. Nachdem es sich 2020 endgültig aus der Südstadt verabschiedet hatte, sollte an seiner Stelle eigentlich ein Neubau entstehen. Doch seitdem herrscht Stillstand auf dem Bauplatz.

Inzwischen haben Anwohnerinnen und Anwohner dem brachliegenden Gelände eigene Namen gegeben: „Schocken-See“ oder „Lago di Aufseß“ – so wird der große Teich, der sich dort gebildet hat, inzwischen genannt. Doch warum tat sich bislang nichts?

Das Schocken-Kaufhaus war über 100 Jahre lang der Mittelpunkt der Nürnberger Südstadt, betont Projektentwickler Ten Brinke auf unsere Anfrage Ende Juli 2025. Nachdem das Areal jahrelang leer gestanden hatte, hatte das Unternehmen im September das Grundstück gekauft.

Eigentlich sollte auf dem ehemaligen Gelände des „Schocken“-Kaufhauses künftig das „Schocken-Carré“ entstehen. Hier sollte eigentlich neben Einkaufsmöglichkeiten geförderter Wohnbau die Mietlage in Nürnberg etwas entspannen. In rund fünf Jahren hat sich jedoch nur ein kleines Biotop gebildet – und das mitten in der Stadt. Neben einem kleinen See aus Regenwasser wachsen auf dem Gelände Sträucher, und auch Bienen, Hummeln sowie Vögel tummeln sich hier.

Dicker und lückenloser Zaun versperren die Sicht auf den Lago di Aufseß

Nach der Umbennenung des Ortes auf Google Maps in Lago di Aufseß und einem Artikel unserer Redaktion kochte das Thema in der Stadtgesellschaft und der Stadtpolitik hoch. Viele Bürgerinnen und Bürger machten ebenfalls Videos für Social Media - die Konsequenz: Seit kurzem versperrt ein dicker und lückenloser Zaun aus Holz den Blick auf das unfreiwillige Naherholungsgebiet.

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Ein winziger Spalt gibt einen Streifen Aussicht frei: Doch warum wird jetzt der Blick auf den Lago di Aufsess verwehrt? © Andrea Munkert

Theoretisch könnte etwas passieren, betont die Nürnberger CSU-Stadtratsfraktion. Die hatte Ende Juli den Projektentwickler Ten Brinke in den Sozialen Medien aufgefordert, mit dem Bau zu beginnen - und via Instagram angekündigt: "Wir sorgen dafür, dass sich endlich etwas tut." Nachdem Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier gemeinsam mit CSU-Fraktionsvorsitzendem Andreas Krieglstein die Baustelle besucht hatte, folgte prompt dieses Reel, das den Ausflug dokumentierte. Ratten, Mücken, Stillstand – all das sind Probleme, die der Fraktion bekannt sind. Und auch den Anwohnern. Irritierend: In vorherigen Aussagen erklärte Oberbürgermeister Marcus König (CSU), dass die Einflussmöglichkeiten der Stadt an dieser Stelle begrenzt seien. Eine konkretere Nachfrage unserer Redaktion an die Fraktion blieb bislang noch unbeantwortet.

Dass bislang nichts gegen die Entwicklung des Brachlands unternommen wurde, kritisieren Heilmaier und Krieglstein in dem Video deutlich. Die Baugenehmigung liegt eigentlich vor – es könnte losgehen, so Heilmaier. Doch laut dem Unternehmen Ten Brinke geht es nicht um die Genehmigung selbst. Man baue nicht, weil es an Rechtssicherheit fehle, erklärte Ten Brinke gegenüber NN.de. Eine aktuelle Nachfrage an das Unternehmen der Redaktion nordbayern.de blieb aufgrund von Urlaub noch unbeantwortet.

Das Unternehmen hatte vormals in diesem Zuge auf eine anhängige Nachbarschaftsklage verwiesen - die SPD in Nürnberg findet allerdings: Diese Klage habe aber keine aufschiebende Wirkung für den Baubeginn und könne daher auch keine „vierjährige Stagnation“ begründen. Die Stadt müsse dringend eingreifen, auch wegen „Ratten- und Mückenplage“. Auch Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier äußert im Video der CSU, dass die Klage eines Nachbarn nach Auskunft der Bauverwaltung keine aufschiebende Wirkung habe - einem Baubeginn stehe nichts im Weg.

Auch die SPD-Stadtratsfraktion nimmt sich des Lago di Aufseß an

Wie es nun weitergeht, ist auch eine Frage, die sich die SPD-Stadtratsfraktion stellt - auch sie will Bewegung in die Brache bringen. "Die Südstädter brauchen Taten, nicht nur Worte! Bauzwang und notfalls Enteignung prüfen", wird Spitzenkandidat Nasser Ahmed in einem Post zitiert. In einem kürzlich veröffentlichten Antrag, den die SPD-Fraktion eingereicht hat, fordert sie die Verwaltung auf, darzulegen, ob Maßnahmen wie ein Bauzwang oder sogar eine Enteignung rechtlich möglich wären. Zudem soll erklärt werden, welche Gründe zur extremen Verzögerung geführt haben. Christine Kayser, Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, verwies auf die "extreme Abwertung des Viertels" durch mehrjährigen Stillstand ohne Perspektive.

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Ende Juli hat die Redaktion von nordbayern.de bei Stadt und Ten Brinke angefragt, ob nicht - zumindest interim - eine Nutzung der Brache als Freizeitfläche möglich sei. Eine alternative Nutzung sei aus verschiedenen Gründen nicht möglich, hieß es Ende Juli 2025. Diese Gedankenspiele haben offenbar auch die Kommentatoren auf Google Maps, die sich über das Naherholungsgebiet mitten im dichten Wohngebiet amüsieren - und seit Neuestem eine noch unbekannte Initiative, die nahe des Aufseßplatzes - am Kopernikusplatz - eine Litfasssäule komplett mit einer Vorstellung der Fläche beklebt haben, die das Areal in ein Erlebnisbad-Paradies denkt.

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Eine Vorstellung, die durchaus amüsant ist: Auf dieser Litfasssäule wird der "Lago di Aufseß" zum Erlebnis-Bad mit Rutschen, Liegen und mehr. © Andrea Munkert

Auch der Holzzaun trägt inzwischen eine Signatur - Herkunft unklar. In großen Buchstaben mahnt jemand: "Nur, weil etwas nicht sichtbar ist, vergessen wir nicht, dass es existiert."

„Das Loch muss weg“, sagt Ümit Sormaz, Vorsitzender des Bürgervereins Süd und Stadtrat für die FDP. Bevor das Kaufhaus zum dreckigen Badesee geworden ist, sei es sauberer gewesen und es seien mehr Menschen unterwegs gewesen. Jetzt leiden die Geschäfte drum herum. „Das ist kein schöner Ausblick“, sagt auch Pablo Lo Destro, der in der Eisdiele direkt an der Baugrube arbeitet. „Viele kommen jetzt gar nicht mehr.“ Auch Sormaz meint: "Wenn die Stadt Gebäude in der Innenstadt kaufen kann, dann sollte sie es auch in der Südstadt machen."

Mücken plagen Menschen am Lago di Aufseß

Doch nicht nur die riesige Lücke plagt die Südstadt: Wegen des stehenden Gewässers haben sich rund um die Baugrube zunehmend Mücken ausgebreitet. Das Unternehmen kenne die Situation, aktuell müsse jedoch geprüft werden, welche Maßnahmen im Rahmen des Möglichen liegen. Ten Brinke arbeite deshalb gemeinsam mit der Stadt Nürnberg daran, eine Lösung zu finden - hieß es wiederum Ende Juli.

Das Wasser abzupumpen wäre nicht sinnvoll - beziehungsweise würde das Mückenproblem nicht lösen, erklärt das Unternehmen. Der Grund dafür: Selbst nach dem Abpumpen bleibt immer etwas Restwasser zurück, und Mücken benötigen lediglich eine kleine Pfütze, um ihre Eier darin abzulegen.

Deshalb plant man in Abstimmung mit Fachleuten, Mückenfallen aufzustellen und das Wasser in der Grube zu lassen, hieß es vor etwas mehr als zwei Wochen. Die Nürnberger Südstadt wird ihren unfreiwilligen See wohl auch in absehbarer Zeit behalten. Jedenfalls kommt nun ordentlich Bewegung rein, denn der Lago di Aufsess sorgt für Aufsehen. Und Aufregung, auch bei den Parteien im Stadtrat Nürnbergs.