
Alan Grant dürfte den meisten Fans der Pop-Kultur vorrangig als Dr. Alan Grant bekannt sein, Paläontologe im Dino-Klassiker Jurassic Park. Der Film von 1990 hat mittlerweile Kult-Status erreicht und nicht nur viele Fortsetzungen bekommen, sondern auch ein ganzes Genre begründet.
Doch schon einige Jahrzehnte früher ermittelte ein Inspector bei Scotland Yard, der ebenfalls den Namen Alan Grant trug. Zumindest in einigen Büchern von Josphine Tey. Dabei handelt es sich um eines der Pseudonyme, unter denen die schottische Autorin Elizabeth MacKintosh ihre Bücher veröffentlichte. Obwohl sie weniger bekannt ist als andere Krimiautorinnen ihrer Zeit, wie etwa Agatha Christie, ist es „Alibi für einen König“, ein Titel aus der Feder von Elizabeth MacKintosh, der von der Crime Writers‘ Association zum besten Kriminalroman aller Zeiten gekürt wurde.
Auch in diesem Buch ermittelte Alan Grant, doch an dieser Stelle schauen wir uns einen früheren Fall des Inspectors an.
„Ein Schilling für Kerzen“: Ein Mord mit vielen Verdächtigen
„Ein Schilling für Kerzen“ ist das zweite Buch, in dem Alan Grant ermittelt, und der erste Fall, der unter dem Namen Josephine Tey veröffentlicht wurde. Inspector Alan Grant soll einen Mord aufklären, der zu Beginn noch wie ein Unfall aussieht. Die Leiche einer jungen Frau wurde am Strand angespült, ein Polizist fand das Opfer. Alles deutet darauf hin, dass sich die Frau beim Schwimmen übernommen hatte, doch ein entscheidender Hinweis zeigt in eine andere Richtung. Denn in den Haaren der Frau hat sich ein Knopf verfangen, der ohne Zweifel von einem Herrenmantel abgerissen ist.
Schnell stellt sich heraus, dass es sich bei der Toten um Christine Clay handelt, einer berühmten Sängerin und Schauspielerin, die gerade mit dem Dreh eines neuen Films beginnen sollte. Inspector Alan Grant muss sich durch einen Sumpf an Verdächtigen kämpfen, die alle ein starkes Mordmotiv haben. Und Geheimnisse. „Wir sehen das große Ganze nicht, weil so viel Unbedeutendes uns den Blick verstellt.“
Da ist der junge Mann, der sein geerbtes Vermögen verjubelt hat und kurzfristig bei Christine Clay wohnte, der Songschreiber, der vermeintlich eine Affäre mit ihr hatte, ein Ehemann, dem sie womöglich die Hörner aufgesetzt hatte und ein Bruder, mit dem sie sich zerstritten hatte und dem sie lediglich einen Schilling für Kerzen vererbte, trotz ihres großen Vermögens.
Doch wer steckt hinter dem Mord? Und welche Geheimnisse haben gar nichts mit der Tat zu tun?
Wer ist Inspector Alan Grant?
Das Besondere an den Büchern von Josephine Tey ist, dass sie sich über die üblichen Grenzen des Genres hinwegsetzt. So kam ihr Krimi „Die verfolgte Unschuld“ beispielsweise ganz ohne Mordfall aus. Dass es diesen in „Ein Schilling für Kerzen“ gibt, ist unstrittig. Doch Inspector Alan Grant ist anders, als wir es von den Gentleman-Detektiven Sherlock Holmes oder Hercule Poirot gewöhnt sind. Er ist kein Genie, der seine Fälle nur im Kopf löst. „Gerne wäre er einer dieser wunderbaren Gestalten mit untrüglichem Instinkt und todsicherem Urteilsvermögen gewesen, die sich auf den Seiten von Kriminalromanen tummelten, und nicht nur ein hart arbeitender, wohlmeinender Detective Inspector von durchschnittlicher Intelligenz.“
Nicht nur ist Alan Grant damit ein hart arbeitender Polizist, er ist auch jemand, der sich seinen Fehlern bewusst ist und mit ihnen hadert. Übrigens ist Josephine Tey nicht nur mit ihrem selbstreflektierten Ermittler ihrer Zeit voraus.
Der Verweis auf andere Werke der Kunst in der Literatur ist ein übliches Motiv der Postmoderne. Auch wenn postmoderne Literatur sich nicht abschließend definieren lässt, kann man zumindest feststellen, dass sie eigentlich erst im Laufe der 1950er-Jahre groß aufkam. Josephine Tey hingegen hebt ihren Inspector Alan Grant bereits im 1936 erschienen Krimi mit Querverweis von anderen Ermittlern der Zeit ab.
„Ein Schilling für Kerzen“
von Josephine Tey
- übersetzt von Manfred Allié
- 320 Seiten
- Oktopus
- ISBN: 978-3-311-30073-1
- 22 Euro (Buch und Kindle-Book bei Amazon )
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