Nürnberg - Lange mussten die Fans von Peter Grant warten, denn zuletzt ging es eher um andere Charaktere der Reihe. Aber ist Peter wirklich die Hauptfigur?

Seit mittlerweile 2011 begeistert der ehemalige Dr. Who-Autor Ben Aaronovitch Fans von Urban Fantasy mit der „Flüsse von London“-Reihe. Im Mittelpunkt stand zunächst Peter Grant, Police Constaple, gerade mit der Ausbildung fertig und frischer Zauberlehrling unter Detective Chief Inspector (DCI) Thomas Nightingale. Das Folly ist die Zentrale der „Einheit für spezielle Analysen“, was nichts anderes bedeutet, dass sie immer dann hinzugezogen werden, wenn ein Fall Hinweise auf „abstrusen Scheiß“, also irgendetwas Übernatürliches, aufweist.

Mittlerweile ist Peter Grant Detective Sergeant und das Folly um einige Figuren reicher geworden. In den letzten Romanen und Novellen von Ben Aaronovitch drehte es sich vermehrt um solche und andere Figuren. Fans von Peter Grant dürfen sich also freuen, denn dieses Mal steht der inzwischen doch recht erfahrene Zauberlehrling wieder im Vordergrund. Zumindest steht er auch im Vordergrund.

„Die Meerjungfrauen von Aberdeen“: Worum geht es?

Seit dem ersten Abenteuer, „Die Flüsse von London“, hat sich einiges getan für Peter Grant. Nicht nur ist er mittlerweile Detective Sergeant (DS), sondern auch mit der Flussgöttin Beverly Brook verheiratet und Vater von Zwillingen. Inzwischen ist der gelegentlich übermütige und teilweise etwas hormongesteuerte Jungpolizist also zu einem routinierten Ermittler herangereift.

Kein Wunder also, dass er im Schottland Urlaub von der hiesigen Polizei zur Beratung herangezogen wird. Ein toter Mann liegt im Leichenschauhaus der Aberdeener Polizei. Auch wenn er gefährliche Stichwunden hat, ist die Todesursache ungeklärt. Und noch seltsamer: Der Mann scheint Kiemen zu haben. Peter bekommt einen DS Martin Blinshell an die Seite gestellt und soll den Fall aufklären.

Auch DCI Nightingale und die Zauberschülerin Abigail Kamara, Peters junge Cousine, sind mit in Schottland. Eigentlich sind sie es, die in Schottland an einem Fall ermitteln, Peter ist nur samt Familie zum Urlaub mitgereist. Immer wieder werden Schafe in Schottland von anderen Tieren gerissen, doch dieses Mal weist einiges darauf hin, dass eine Großkatze dafür verantwortlich ist. Die keineswegs in Schottland ihr Zuhause hat. Ein magischer Zusammenhang ist nicht auszuschließen, und so nehmen Nightingale, Abigail und ihre sprechenden Füchse die Ermittlungen auf.

Im Laufe des Falles stoßen sie auf noch weitere Wesen, die nichts in der Umgebung zu suchen haben. Peter bekommt es mit einer überdimensionalen Möwe zu tun, Abigail muss es mit einer ausgewachsenen Wyvern aufnehmen. Hilfe bekommt sie dabei von einer neuen ‚Bekannten‘, die sich, wenig überraschend, auch als übernatürliches Wesen herausstellt.

Wo kommen die seltsamen Tiere her? Können Peter und DS Blinshell ihren Fall aufklären? Werden sie die vermisste Forscherin Alice MacDuffie finden können? Und was hat die Bohrinsel vor der Küste und ein riesiger, mit Wasser vollgelaufener Steinbruch mit der Sache zu tun? Und wie hängen die Fälle von Peter und Abigail zusammen?

Das neue Buch von Ben Aaronovitch - um wen geht es jetzt eigentlich?

An dieser kurzen Zusammenfassung wird schon deutlich, dass im neuen Abenteuer wirklich einiges passiert. Das lässt sich auch als ein gewisses Manko formulieren, denn womöglich hätte man einige Punkte der Geschichte weglassen können. Bis jetzt haben wir zum Beispiel gar nicht erwähnt, dass auch Peters Eltern mit von der Partie sind. Peters Vater ist Jazzmusiker und spielt in Aberdeen einige Auftritte mit seiner Band. Warum haben wir das bis jetzt nicht erwähnt? Weil es für die Handlung eigentlich keine Rolle spielt. Womöglich hätte sich auch Ben Aaronovitch diesen Aspekt also sparen können.

Um nicht zu sagen, dass „Die Meerjungfrauen von Aberdeen“ kein gutes Buch ist. Vielleicht nur etwas überladen. Tatsächlich ist Peter auch nicht die einzige Hauptfigur. Wie üblich sind seine Abenteuer aus seiner eigenen Perspektive geschildert, doch dieses Mal wechselt er sich mit seiner Cousine Abigail ab, die ebenfalls in Schottland ermittelt.

Kleiner Spoiler: Natürlich hängen die Fälle der beiden zusammen, das dürfte allen klar sein, die schon einmal einen Krimi gelesen haben. Doch irgendwie mutet „Die Meerjungfrauen von Aberdeen“ wie zwei Bücher an, die parallel laufen, die Berührungspunkte sind zwar da, aber dünn gesät.

Auch das ist höchstens etwas schade, tut der Qualität des Buches aber keinen Abbruch. Denn seien wir ehrlich: Einen großen Teil des Charmes der Geschichten um Peter Grant machte sein Privatleben aus, das er nicht so ganz von der Arbeit trennen konnte. Allerdings ist Peter nicht nur zu einem routinierten Ermittler herangereift, durch seine Ehe mit Beverly und die Geburt seiner Zwillinge ist er auch hier etwas erwachsener geworden.

Kurzum: Die Stelle als hormongesteuerter Jungermittler ist frei geworden. Und diese Position führt jetzt seine mittlerweile 18-jährige Cousine Abigail aus. Damit kann Ben Aaronovitch auf das bewährte Konzept der Anfänge der „Flüsse von London“-Reihe zurückgreifen. Spannende Ermittlungsarbeit, Geschichten, in denen nichts unmöglich ist, Bezüge auf örtliche Mythen und Legenden, romantische Eskapaden der Ermittlerfiguren, und magische Kämpfe als großer Showdown. War 2011 schon grandios, ist 2025 immer noch großartig.

"Die Meerjungfrauen von Aberdeen"

von Ben Aaronovitch

  • übersetzt von Christine Blum
  • 416 Seiten
  • dtv
  • ISBN: 978-3-423-26420-4
  • 17 Euro

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