Nürnberg - War der Klimagipfel in Glasgow nun ein Erfolg oder nur Bla-Bla-Bla, wie Klima-Aktivistin Greta Thunberg meint? Angesichts der gewaltigen Herausforderungen, die die Klimaneutralität für alle Staaten auf der Welt bedeutet, kann das Ergebnis des Gipfels sich sehen lassen, kommentiert NZ-Chefredakteur Stephan Sohr.

Wer gesehen hat, wie die Delegation aus China mit dem US-amerikanischen Klima-Beauftragten John Kerry um wirklich jedes einzelne Wort gerungen hat, das im Abschlussdokument zum Klimagipfel stehen sollte, wer verfolgt hat, wie 25000 Menschen in Schottland sich zwei Wochen lang Tag und Nacht abmühten, Absichtserklärungen, den menschengemachten Klimawandel und dessen Folgen für das Leben auf der Erde zu stoppen in konkrete Ziele zu verwandeln, wird entweder demütig oder dem Frust verfallen.

UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow
Alok Sharma (M), Präsident der COP26, wird bei der schließenden Plenarsitzung der UN-Klimakonferenz COP26 beklatscht. Die UN-Klimakonferenz in Glasgow hat die Staaten der Welt erstmals dazu aufgefordert, den Ausstieg aus der Kohle einzuleiten © Christoph Soeder, dpa

Frustriert verlässt Glasgow, wer aus der abgeschwächten Formulierung zur Kohlenutzung - China und Indien hatten durchgesetzt, dass nicht der Ausstieg festgeschrieben wurde, sondern der schrittweise Abbau - den Schluss zieht, dass gerade die größten CO2-Produzenten die Zeichen der Zeit und den wissenschaftlichen Konsens noch immer nicht erkannt hätten. Demütig verlässt Glasgow, wer es überhaupt als Erfolg begreift, dass sich Vertreter aus über 200 Staaten auf eine Abschlusserklärung verständigt haben, in der sich alle zu dem Ziel bekennen, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen. Dafür braucht es konkrete Klimaschutzpläne, die nun drei Jahre früher als bisher geplant vorliegen sollen. Alles nur Bla, Bla, Bla, wie Klima-Aktivistin Greta Thunberg meint?

Im Unterschied zu Aktivisten, die sich auf das Anmahnen, Fordern und Beschuldigen konzentrieren können, ist Politik noch immer die Kunst des Möglichen - je mehr Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen, umso schwieriger wird es. Schwieriger als bei Klimaschutz-Konferenzen kann das politische Geschäft kaum sein.

Was das Thema Kohle angeht, so ist es angesichts dessen ein Fortschritt, dass in Glasgow der Abbau der Nutzung dieser klimaschädlichsten Energieform erreicht wurde. Das Riesenreich China ist der weltgrößte CO2-Emittent und verbrennt mehr als die Hälfte der zur Verfügung stehenden Kohle, will aber bis zum Jahr 2060 klimaneutral werden. 15 Jahre später als zum Beispiel Deutschland.

Der größte Hebel

Nach UN-Klimakonferenz COP26 - Smog in Indien
Indien, Dhanbad: Kohle wird an einem Tagebau in einen Lastwagen geladen. Die UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow hat mit einem als historisch gefeierten Beschluss den weltweiten Abschied von der Kohleverbrennung eingeläutet.  © Altaf Qadri, dpa

Doch angesichts der Herausforderung, die es für ein Land von 82 Millionen Einwohnern bedeutet, nicht nur aus der Kohleverstromung (bis zum Jahr 2038), sondern auch auch der Atomenergie aussteigen zu wollen, kann erahnt werden, welche Probleme ein 1,4-Milliarden-Menschen-Land bewältigen muss, um das angestrebte Ziel zu erreichen. China wird deshalb wohl kurzfristig die Kohleverstromung ausbauen, um sie dann aber in schnelleren Schritten wieder abzubauen und den Zeitpuffer für den Ausbau regenerativer Energien zu nutzen.

Deutschland mit seinem Anteil von zwei Prozent an den weltweiten CO2-Emissionen kann seine eigenen Ziele noch so sehr verschärfen, den größten Hebel, um die Erderwärmung zu stoppen, haben die die größten CO2-Produzenten. Deutschlands Ziel muss es sein, die Technologien dafür zu liefern.