Berlin - Er war auch als Verteidigungsminister gehandelt worden, doch nun soll Lars Klingbeil neben Saskia Esken SPD-Vorsitzender werden. Damit könnte sich die Parteispitze auch inhaltlich neu ausrichten.

Ein Generalsekretär, der einen erfolgreichen Wahlkampf organisiert hat, kann sich anschließend fast jedes Amt aussuchen, das ihm gefällt. Deswegen war schon gleich nach dem sensationellen Comeback der SPD am 26. September festgestanden, dass Lars Klingbeil einen neuen, bedeutenderen Posten erhalten würde. Nun ist es offiziell, was der 43-Jährige ab Mitte Dezember macht: Er soll Parteivorsitzender werden und damit Nachfolger von so bedeutenden Sozialdemokraten wie Kurt Schumacher, Willy Brandt und Hans-Jochen Vogel.

Klingbeil war zwischenzeitlich auch als Mitglied der neuen Bundesregierung gehandelt worden. Unter anderem hieß es, dass er Verteidigungsminister werden könne - ein Fachgebiet, auf dem sich der frühere Zivildienstleistende in der Vergangenheit profiliert hatte. Das Amt hätte ihm bestimmt gefallen. Doch noch steht gar nicht fest, an welche Partei der Ampel-Koalition das Ressort fallen wird.

Pressekonferenz nach Beratungen der SPD-Spitzengremien
Norbert Walter-Borjans, amtierender Co-Vorsitzender der SPD, geht demnächst in den Ruhestand. © Michael Kappeler, dpa

Nun soll er nach dem Willen von Vorstand und Präsidium also Parteichef werden. Und zwar an der Seite von Saskia Esken, die nach zwei Jahren auf diesem Posten weitermachen will. Auch ihr war ein Interesse an einem Ministerium unterstellt worden, Digitales oder Bildung, doch garantieren konnte ihr das beim gegenwärtigen Verhandlungsstand niemand.

Doppelrolle nicht möglich

In Sachen Vorsitz musste sich Esken jetzt entscheiden, denn der Wahlparteitag findet schon in wenigen Wochen (10. bis 12. Dezember) statt. Eine Doppelrolle als SPD-Chefin und Kabinettsmitglied schied für die 60-Jährige aus, denn sie hatte es selbst immer wieder gefordert, dass die höchsten Parteifunktionäre nicht auch noch Regierungsmitglied sein sollten. Das gefährde nämlich deren Unabhängigkeit, als Vertreter der sozialdemokratischen Interessen auftreten zu können.

Eine Zusammenarbeit mit Klingbeil sei "eine Konstellation, die ich mir sehr gut vorstellen kann", sagte Esken nach Bekanntwerden seiner Kandidatur. Tatsächlichen haben die beiden gemeinsam mit dem scheidenden Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans dafür gesorgt, dass in der traditionell zerstrittenen SPD Ruhe herrschte und Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Wahlkampf ausschließlich Unterstützung erfuhr.

Bleibt demnach an der Parteispitze alles so, wie es bisher schon war? Nicht unbedingt. Einerseits verkörpert Lars Klingbeil einen klar erkennbaren Generationenwechsel. Mit seinen 43 Jahren ist er 26 Jahre jünger als Vorgänger Walter-Borjans (69). Noch nie hatte die Sozialdemokratie einen so jungen Vorsitzenden. Andererseits steht er als Mitglied des konservativen Seeheimer Kreises nicht so weit links wie das bisherige Duo "Nowabo" und Esken.

Absagen von Parteipromis

Noch steht nicht fest, ob es bei zwei Kandidaten bleiben wird. Theoretisch könnten sich auch andere Parteimitglieder bewerben. Doch angesichts des Friedens, der seit geraumer Zeit in der SPD eingekehrt ist, steht das eher nicht zu erwarten. Prominente mögliche Anwärter wie der designierte Kanzler Olaf Scholz und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern haben bereits abgesagt.

Wenn nicht mehr als zwei Bewerber um den Co-Vorsitz antreten, dann muss auch die Basis nicht befragt werden. Beim letzten Mal, im Jahre 2019, hatte das Verfahren noch mehrere Monate in Anspruch genommen. Acht Teams und ein Einzelkandidat, darunter so bekannte Mitglieder wie Gesine Schwan, Olaf Scholz, Ralf Stegner und Karl Lauterbach, waren anfangs an den Start gegangen. Es gab 23 Regionalkonferenzen in ganz Deutschland und am Ende zwei Wahlgänge.

Im Vergleich dazu nimmt sich die jetzt anstehende Entscheidung geradezu harmlos aus. Das wird allgemein als ein Zeichen dafür genommen, dass sich die jahrelang darnieder liegende SPD wieder gefangen hat. In den jüngsten Sonntagsfragen liegt sie bei bis zu 28 Prozent und hat damit im Vergleich zum Wahltag nochmals ein paar Prozentpunkte zugelegt.

Die Union als Spiegelbild

Fast spiegelbildlich dazu ist die Entwicklung der einst so erfolgreichen Union. Sie schafft derzeit in den Umfragen gerade mal die 20-Prozent-Schwelle und diskutiert heftig darüber, wer denn für den Parteivorsitz in Frage kommen könnte. Und die Mitgliederbefragung, auf die die SPD jetzt wohl verzichtet, wird bei der Union angesichts diverser Kandidaten kaum noch zu vermeiden sein.

Für das mutmaßliche neue Führungsduo der Sozialdemokratie dürfte es allerdings auch nicht ewig bei dem Erfolgsrausch nach der Bundestagswahl bleiben. Sobald die Ampel einen Koalitionsvertrag vorgelegt und die von der SPD geführte Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat, dürfte auch die Parteilinke wieder kritische Fragen stellen. Zum Beispiel danach, wieviel denn eigentlich vom eigenen Wahlprogramm umgesetzt werden konnte.