
Wir haben uns daran gewöhnt, dass sich jeder von uns politisch äußern kann, dass uns niemand auf dem Weg zum Wahllokal bedroht, dass niemand die Stimmzettel fälscht. Dabei vergessen wir häufig eines: Nach einem Index der Zeitschrift The Economist sind es weltweit nur 23 von knapp 200 Staaten, die als "vollständige Demokratien" gewertet werden können. Darunter die Bundesrepublik.
Daran sollte man anlässlich der ersten Sitzung des 20. Deutschen Bundestages durchaus mal erinnern. Der Streit um die Sitzplätze der Fraktionen, die von der AfD ausgelösten Geschäftsordnungsdebatten - all das gehört zum parlamentarischen Leben und muss nicht überbewertet werden.
Wenn die neu gewählten Abgeordneten das erste Mal zusammentreten, dann ist das ein Feiertag der Demokratie. Da sollte man auch mal kurz innehalten und sich von Herzen freuen. Über all die anderen Dinge - den aufgeblähten Bundestag etwa, der dringend verkleinert werden muss - streiten wir uns dann morgen wieder. Dafür haben wir ja nun vier Jahre lang genügend Zeit. Auch das gehört nämlich zur politischen Stabilität in Deutschland, dass Wahlperioden höchst selten vorzeitig enden.