
Die Aufregung in Berlin ist groß, die Gerüchteküche ist so richtig auf Touren gekommen. Mittendrin: Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder. Das ist kein Zufall, denn ihm werden zurecht die ausgefuchstesten machtpolitischen Strategien zugetraut. Hinter allem, was er von sich gibt, wird Kalkül vermutet - egal, ob er dem SPD-Spitzenmann Olaf Scholz zum Wahlsieg kandidiert oder die banale Feststellung trifft, dass die Union die Wahl verloren hat.
Zur Klärung der Grundvoraussetzungen sei zunächst festgehalten, dass die Partei, die aus der Bundestagswahl mit den meisten Stimmen hervorgeht, keineswegs automatisch den Bundeskanzler stellen muss. Das Gegenteil ist in der Geschichte der Bundesrepublik schon mehrfach der Fall gewesen. Gewählt ist nach Artikel 63 des Grundgesetzes, wer die Mehrheit der Stimmen im Bundesparlament erhält. Der Kandidat muss weder dem Bundestag angehören noch Mitglied einer dort vertretenen Partei sein. Einzige Voraussetzung: Mindestens 18 Jahre alt und deutscher Staatsangehöriger.
Theoretisch ist also ein Bundeskanzler Söder ohne weiteres denkbar. In der Praxis ist auch klar: Jemand wie Söder wird zugreifen, wenn ihm die Gelegenheit zum höchsten Regierungsamt geboten wird. Sonst wäre der CSU-Chef nicht da, wo er jetzt ist.
Falls Ampel scheitert, ist Söder da
Die Grundvoraussetzungen für einen Bundeskanzler Söder sind damit erfüllt, nun aber kommen die gewichtigen "Aber". Söder selbst hat darauf hingewiesen, dass jetzt erst einmal die potentiellen Partner einer Ampel-Koalition am Zug sind. Erst wenn die Ampel scheitern sollte, öffnet sich für Söder eine Machtoption.
Ernsthafte Jamaika-Koalitionsgespräche könnten für Söder die Gelegenheit zum Angriff bieten. Ein zweites Mal wird er dem glücklosen und schwer angeschlagenen Laschet sicher nicht den Vortritt lassen, wenn er es irgendwie verhindern kann. Geschickt hat sich Söder, dessen CSU die Wahl nicht weniger grandios verloren hat wie die Schwesterpartei, als der Stabilere und Selbstsicherere, ja als so eine Art "Wahlsieger der Herzen" präsentiert.
Womöglich würde er bei einem Griff zur Macht und einem Frontalangriff auf Laschet nicht nur Verbündete bei der von ihrem Vorsitzenden bitter enttäuschten CDU, sondern auch bei den Grünen finden, denen er sich verbal angenähert hat. Ein Kanzler Laschet, dem ein massives Loser-Image anhängt, wäre zwar für die grünen und gelben Partner ein gefügigerer Regierungschef als Söder, aber das Image einer solchen Bundesregierung wäre von vornherein angekratzt, um es vorsichtig zu formulieren. Würden sich Baerbock, Habeck und Lindner tatsächlich von ihm repräsentieren lassen? Eine personelle Alternative zu Laschet aus der CDU ist bisher nicht in Sicht. Da müsste man flugs einen Kanzler aus dem Hut zaubern, an den heute keiner denkt. Schwer vorstellbar.
Söder kann also nur darauf spekulieren, dass sich SPD, Grüne und FDP nicht einig werden. Für diesen nach wie vor wenig wahrscheinlichen Fall stünden seine Chancen gar nicht mal schlecht. Durch ungeduldiges Drängeln aber wird er die Ampel-Idee nicht destabilisieren können. Da kennt jemand wie Söder andere Wege.

