Berlin - Noch steht nicht fest, wer an der kommenden Regierung beteiligt sein wird. Eines steht aber schon fest, schreibt Berlin-Korrespondent Harald Baumer in seinem Kommentar: Die Partner müssen anders miteinander umgehen als in der Vergangenheit.

Auffallend oft ist in den Tagen nach der Bundestagswahl zu hören, man müsse in einer künftigen Koalition anders miteinander umgehen. Respektvoller, wertschätzender, mit mehr Gemeinschaftssinn. Das ist insofern bemerkenswert, als das quasi alle Parteien der Mitte sagen - von der CDU bis zu den Grünen.

Viele Wählerinnen und Wähler werden das nicht glauben. Sie werden es für ein bloßes Politikergefasel halten. Sie erinnern sich daran, wie die SPD 2018 höchst unwillig ein Bündnis mit der Union einging und die Koalitionäre in der Folgezeit einander die Butter auf dem Brot nicht gönnten. Kaum besser war es 2009 bis 2013 mit der vermeintlichen Traumpaarung Union und FDP, die fast vom ersten Tag an in einen Rosenkrieg ausartete.

Da fragt man sich als Außenstehender: Muss das denn eigentlich sein? Kann eine Koalition immer nur so aussehen, dass man sich feindselig gegenübersteht? Dass alle Beteiligten nur bis zum nächsten Wahltag warten, um dann - hoffentlich - den anderen im Staub liegen zu sehen und umgehend nach einem neuen Partner zu suchen, der kleingehalten werden muss?

Dem anderen Erfolge lassen

Das muss natürlich nicht sein. Das Geheimnis einer gelungenen Koalition liegt nicht darin, in allen Punkten der Sieger zu sein. Olaf Scholz hat in dazu etwas Interessantes gesagt: Es gehe ihm darum, sich mit einer möglichen Koalition auch nach vier Jahren bei den Bürgern um eine Wiederwahl zu bewerben. Ganz neue Töne, wenn es denn ernst gemeint ist.

Angela Merkel war in der Hinsicht weitgehend empathielos. Sie sah zu, wie sich die jeweiligen Partner unter ihrer Kanzlerschaft zerrieben. Natürlich ist es nicht ihre Aufgabe gewesen, FDP oder SPD aufzurichten. Aber dem anderen öffentlich seine Erfolge zu lassen, das kann ein Regierungschef durchaus. Helmut Kohl beherrschte das zum Beispiel deutlich besser.

Wenn es einer neuen Koalition - sei es die Ampel, sei es Jamaika - gelänge, gemeinsame Projekte zu finden und diese auch gemeinsam als einen Erfolg zu verkaufen, dann wäre das ein echter Fortschritt gegenüber der Ära Merkel. Diese 16 Jahre waren koalitionstechnisch gesehen weitgehend Neidhammel-Jahre.

GroKo als schlechtes Vorbild

Vielleicht haben ja Liberale und Grüne nach einer längeren Zeit ohne Regierungsbeteiligung auf Bundesebene ein gewisses Gespür dafür entwickelt, dass man auch anders miteinander umgehen kann. Vielleicht ist die SPD nach ihren schlechten Erfahrungen aus der GroKo so weit, dass sie als Kanzlerpartei großzügiger auftreten kann. Sicher ist das alles nicht.

Koalieren ist dem Ansatz nach jedenfalls alles andere als ein Kampfsport. Sollte eine neue Regierung so weitermachen, wie die alte aufgehört hat, wäre das eine große Enttäuschung. Und eigentlich auch schon wieder der Anfang vom Ende.