Berlin - Die CDU steht nach der verlorenen Bundestagswahl vor einem Scherbenhaufen. Unter anderem stellt sich die Frage: Kann sich ihr Parteivorsitzender Armin Laschet in seinem Amt halten?

Michael Kretschmer hatte es eilig. So eilig, dass er regelrecht aus seiner Dienstlimousine sprang und noch nicht mal sein Jacket richtig angezogen hatte, ehe er auf die Journalistentraube vor dem Berliner Konrad-Adenauer-Haus zuging. Der Ministerpräsident von Sachsen war richtig sauer. Das konnte man an diesem Morgen bestens erkennen - an der Körperhaltung und an dem, was er sagte.

Es war viel zusammengekommen für den 46-Jährigen. In seinem Bundesland errang die AfD sechs von zehn Direktmandaten für den Bundestag erobert. Kretschmers CDU spielt nur noch die zweite Geige in Sachsen. Und dann hatte der Ministerpräsident am Wahlabend auf dem Fernsehbildschirm auch noch einen Armin Laschet erlebt, der sich als möglicher Kanzler einer Jamaika-Koalition präsentierte. Das war zu viel.

Kretschmer sprach von einem "Erdbeben" und einem "Desaster", das die Christdemokraten erlebt hätten. Nun gehe es darum, "dass man diese Niederlage mit Demut annimmt". Diese Haltung habe er in den ersten Reaktionen der Bundes-CDU vermisst, deren Äußerungen hätten eher nach einem "Weiter-wie-bisher" geklungen. Der Sachse ist aber ganz anderer Meinung. Der Wählerwille sage etwas anderes aus.

Über Nacht ein Bruch

Der Auftritt des Sachsen markierte einen Bruch zwischen Sonntagabend und Montagmorgen. Kurz nach der Wahl erweckten etliche Unionsvertreter noch den Eindruck, sie würden sich angesichts der enttäuschenden 24,1 Prozent nur kurz abschütteln und dann sofort wieder eine Regierung bilden wollen. Doch davon war dann bei Vorstands- und Präsidiumssitzung der CDU keine Rolle mehr.

Als erstes räumte Armin Laschet die allzu heftigen Jamaika-Gelüste ab. Plötzlich war davon die Rede, die Union stehe zur Verfügung, wenn die Verhandlungen über eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP scheiterten. Dann stehe man zur Verfügung. Das klang schon deutlich bescheidener als die Äußerungen vom Abend zuvor.

Die CDU leckte sich am Tag nach der Niederlage die Wunden. Prominente Vertreter(innen) hatten ihre Direktmandate verloren - Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Kanzleramtschef Helge Braun und Wirtschaftsminister Peter Altmaier zum Beispiel. Bei den Wahlkreisen ist ein großer Teil Deutschlands nun rot, grün oder blau (die Farbe der AfD).

Bald kein Ministerpräsident

Für Laschet persönlich, darin sind sich viele innerhalb der Union einig, kann es nur weitergehen, wenn er auch als Zweitplatzierter eine neue Bundesregierung bilden kann. Müssen CDU und CSU in die Opposition gehen, dürfte er sein Amt als Parteichef mittelfristig verlieren. Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes NRW will er ohnehin zurücktreten.

Wie irritiert die Christdemokraten inzwischen sind, das zeigt sich ganz besonders an einem Detail: Normalerweise wird gleich am Dienstag nach der Wahl der neue Fraktionsvorsitzende der Union für ein Jahr gewählt. Dieses Mal herrscht völlige Unklarheit. Amtsinhaber Ralph Brinkhaus würde gerne weitermachen, doch möglicherweise geschieht das vorerst nur geschäftsführend.

Der Fraktionsvorsitz könnte nämlich der letzte Posten von Bedeutung sein, der der Union verbleibt, wenn sie nicht an einer Regierung beteiligt ist. Auch ein Friedrich Merz, ein Norbert Röttgen oder ein Jens Spahn könnten Interesse daran haben.

Schäuble muss weichen

Nicht einmal der Bundestagspräsident, den man seit knapp 20 Jahren ohne Unterbrechung stellt, wird aus den Reihen von CDU und CSU kommen. Damit verliert der als Abgeordnete wiedergewählte Wolfgang Schäuble ein Amt, das er gerne weitere vier Jahre ausgeübt hatte. Nun darf die SPD als stärkste Fraktion eine Kandidatin oder einen Kandidaten benennen.

Nach der Bundestagswahl - CDU
Wolfgang Schäuble wird das Amt des Bundestagspräsidenten verlieren. © Michael Kappeler, dpa

Seine Mitverantwortung am Niedergang der Union räumte Armin Laschet gleich zu Beginn der Pressekonferenz ein: "Natürlich weiß ich, dass ich meinen persönlichen Anteil an diesem Ergebnis habe." Gerade den ostdeutschen Parteifreunden, wie etwa Sachsens Ministerpräsident Kretschmer, dürfte das nicht reichen. Sie sprachen bei der Vorstandssitzung bereits an, dass eine Erneuerung der CDU auch mit personellen Konsequenzen verbunden sein müsse.

Am Ende könnte Laschet nur noch eine Position übrig bleiben - sein Bundestagsmandat als Listenabgeordneter aus NRW. Das dürfte ihm angesichts der vorausgegangenen Ansprüche als Kanzlerkandidat dann doch zu wenig sein, um in der Politik weiterzumachen.