München - In weiten Kreisen der Gesellschaft geht ein stiller Groll um. Der Groll über die Sprachpolizei, die der Sprache der Dichter und Denker Gender-Sternchen, Unterstriche und Binnen-I's verordnen will. Ein Kommentar zum Gendern von NZ-Korrespondent Ralf Müller.

Nein, es geht nicht um die Anrede "liebe Freundinnen und Freunde" oder "liebe Leserinnen und Leser", auch nicht um die Erwähnung von "Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern" und "Ärztinnen und Ärzten", sondern um gedruckte Rechtschreib-Widerborstigkeiten, die zum Beispiel Blinde gar nicht wahrnehmen können.

Wer seine politische Korrektheit durch die Verwendung dieser Sonderzeichen-Ungetüme unter Beweis stellen will, soll das tun, aber andere dazu zu zwingen (etwa durch eine schlechtere Benotung), geht gar nicht. Da sei schon das Veto des Rates für deutsche Rechtschreibung vor! Freilich gibt es derzeit nur Hinweise, dass sich so etwas im Wissenschaftsbetrieb anbahnen könnte oder gar schon zugetragen hat, aber keine Beweise. Wie auch immer: Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder dürfte vielen aus dem Herzen gesprochen haben. Er hätte freilich nicht kurz vor der Bundestagswahl mit dieser Positionierung warten müssen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Noch mehr drängt sich dieser Verdacht bei einem zweiten Thema auf, welche das Söder-Kabinett gestern (Dienstag) behandelte: Der "Kampf" gegen die Inflation. Dass Sparer, Lebensversicherungsnehmer und andere Gruppen durch die Null- respektive Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) schleichend enteignet werden, ist ja nun wirklich keine Neuigkeit. Wenn die bayerische Staatsregierung ausgerechnet fünf Tage vor der Wahl den geschädigten Bürgern zur Seite springen will, dann denkt man sich seinen Teil. Die versprochene Vorlage eines neuen bayerischen Klimaschutzgesetzes wurde hingegen verschoben. Ein Indiz, dass das Regelwerk nicht nur auf Zustimmung stoßen könnte.