
Das Biotop ist Geschichte. Stattdessen klafft am Spittlertorgraben ein großes Erdloch: Der Palmenhof wird bebaut. Hier entsteht ein neues Gebäude in der Lorenzer Altstadt, das fünf Stockwerke in die Höhe ragt. Im Auftrag der Stadt Nürnberg schafft die wbg Kommunal hier acht Mietwohnungen und einen Kindergarten mit zwei Gruppen.
Früher "kleine Oase"
Wenn Margarete Kalb von ihrer Wohnung aus in die Baugrube blickt, kocht sie vor Wut. Sie kann und will sich nicht damit abfinden, dass "die kleine Oase", die hier vorher über Jahre gewachsen war, nun zerstört ist. "Zement und Beton statt Grün", ärgert sie sich. Dabei habe Oberbürgermeister Marcus König vor seiner Wahl das Gegenteil versprochen, "deswegen habe ich ihn gewählt".
Margarete und Hans Kalb sind mit ihrem Frust nicht allein. Vielen Anwohnern stößt das Projekt sauer auf. Schon vor Jahren hat sich eine Interessengemeinschaft gebildet, die das Bauvorhaben verhindern wollte. Vergebens. "Angefangen hat es mit den zwei Birken, die sie uns in einer Nacht- und Nebelaktion umgemäht haben", sagt Kalb. "Ich hätte mich sonst drangekettet."
Elf Seiten voller Fragen
Die Bäume sollen den unter dem Grundstück liegenden Palmenhofbunker beschädigt haben, aber das will sie, wollen ihre Mitstreiter nicht glauben. Nun können sie nicht fassen, dass ihr grünes Kleinod für immer verschwunden ist. "Über 20 Vogelarten haben dort gelebt, genauso Eichhörnchen und Fledermäuse", sagt Kalb. Jahrelang hat sich die Nachbarschaft selbstständig um die Grünfläche zwischen Spittlertormauer und Kappengasse gekümmert. Sie haben hier gepflanzt, gegossen, gemeinsam gegrillt. Und nun: ein Erdloch.
Margarete Kalb geht das nahe - auch mit Blick auf das, was kommt. Waren ursprünglich vier Geschosse geplant, ist es nun eines mehr, "auf diesem kleinen Grundstück". Ihre Tochter Kristina Kalb-Heubisch hat deshalb an die Stadtspitze geschrieben. Elf Seiten ist der Brief lang, in dem sie viele Fragen stellt.
Zum Beispiel nach dem Denkmalschutz des unter dem Grundstück liegenden Palmenhofbunkers, der mit einem Schaum von der Last der Bebauung geschützt werden soll. Sie hat Zweifel. Auch ob die Straße an der Spittlertormauer für den Verkehr zu einem Kindergarten überhaupt geeignet ist.
Pflastersteine leiden
Schon jetzt sei das Pflaster dort durch die Baumaschinen in Mitleidenschaft gezogen, ist Margarte Kalb entsetzt. Vor allem aber ärgert sie, dass in Nürnberg Klima-Inseln und Pocket-Parks gebaut werden, hier aber Grün zerstört wird - für ein aus Sicht der Anwohner obendrein zu großes Gebäude.
Das sehen die Verantwortlichen bei der Stadt anders. Beim Beschluss der Bebauung habe es "nur lobende Worte" gegeben, sagt Daniel Ulrich, unter anderem von Stadträten der Grünen. Auch der Baureferent selbst freut sich über das Projekt, denn der wbg Kommunal sei es gelungen "in einem komplexen Umfeld eine denkmalfachlich und städtebaulich gute Lösung zu konzipieren, die vor allem viel Raum für die Kinder des Quartiers schaffen wird".
3,5 Millionen Euro Kosten
3,5 Millionen Euro kostet es, die "Lücke im Gefüge der Altstadt zu schließen", sagt Ulrich. Der Neubau orientiere sich im Maß der baulichen Nutzung an der umliegenden Bebauung, teilt die wbg mit. Die Fassadengestaltung werde deshalb auch "in einer angemessenen Architektursprache ausgeführt".
Der Innenhof soll grün werden, mit einer Sandspielfläche und einer Hängematte. Eine Außenspielfläche für die Kindergartenkinder wird allerdings hinter der Stadtmauer errichtet. Margarete Kalb zeigt das, "dass hier gar nicht genügend Platz für einen Kindergarten ist".
Die über 80 Jahre alte Anwohnerin will nicht aufgeben, obwohl die Bauarbeiten schon begonnen haben. "Vielleicht lässt sich ja zumindest die Höhe verhindern", hofft die Altstadt-Bewohnerin. Wenn schon ihre Oase Geschichte ist, während sie sich beim Spaziergang durch die Altstadt an "läppischen Bäumchen in Kästen" erfreuen muss.



