Nürnberg - Sind wir wirklich so machtlos gegenüber den Naturgewalten, wie es uns die Bilder aus den Hochwasser-Katastrophengebieten suggerieren? Von wegen, meint Armin Jelenik, stellvertretender Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten: Wir haben viele Möglichkeiten, die Folgen des Klimawandels abzumildern - wir müssten sie nur endlich konsequent ergreifen.

Ein Feuerwehrmann steht ratlos mit hängendem Kopf zwischen den Trümmern des verwüsteten Dörfchens Schuld an der Ahr. Wo anfangen mit dem Retten und Aufräumen angesichts all der Zerstörung um ihn herum? Für mich war diese Hilflosigkeit das berührendste und zugleich verstörendste Bild in den Fernsehnachrichten am Donnerstagabend. Wie soll es weitergehen, wenn selbst unsere erfahrenen Helfer angesichts dieser Naturgewalt die Mutlosigkeit erfasst?

Tatkräftig anpacken

Vermutlich hat der Mann, wenige Augenblicke, nachdem die Kamera weiter schwenkte, seinen Spaten genommen und beherzt die ersten Schlammreste zur Seite geräumt. Und das sollten wir als Gesellschaft auch tun: Endlich den Klimawandel akzeptieren, tatkräftig alles mögliche gegen ihn unternehmen und unsere Widerstandskräfte stärken.

Denn es gibt zahllose Instrumente, mit denen sich die Folgen abmildern lassen, die wir vor lauter sinnloser Diskutiererei, ob es nun den menschengemachten Klimawandel gibt oder nicht, noch gar nicht richtig ausprobiert haben. Wir sind alles andere als machtlos gegen Naturgewalten, vor allem dann nicht, wenn wir als Gemeinschaft handeln und niemanden unterwegs zurücklassen.

Der erste und längst überfällige Schritt wäre in diesem Sinne die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadensversicherung für alle Häuser in Deutschland. Zugegeben: Das verhindert keine einzige Überschwemmung, aber wenn alle Hauseigentümer einen kleinen Betrag in diese Versicherung einzahlen, hätte das einen großen Effekt für die Hausbesitzer in Risikogebieten. Sie bekämen endlich eine Absicherung und würden bei Überflutungen nicht mehr vor dem finanziellen Ruin stehen.

Aufgabe auf allen Ebenen

Entscheidender für unsere gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit dürfte aber sein, die Folgen des Klimawandels zur zentralen Bezugsgröße aller politischen Ebenen zu machen. In jedem Rathaus, jedem Landratsamt, jedem Landes- und Bundesministerium muss die Verhinderung weiterer klimaschädlicher Handlungen und die Prävention neuer Katastrophen zu einer immer mit zu denkenden Querschnittsaufgabe werden.


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Das schreibt sich zugebenermaßen leicht, würde aber in der Praxis bei konsequenter Umsetzung einen teuren, manchmal schmerzlichen und sicher nicht immer unumstrittenen Kraftakt bedeuten: Die Kommunen müssten in den eng bebauten Städten viel großzügigere Versickerungszonen einrichten, als sie heute existieren; Bebauungsgebiete dürften nicht mehr in Flussauen ausgewiesen, Kanalisationen und andere Infrastruktur müssten für viel Geld ertüchtigt werden.

Die Länder müssten die Arbeitgeber endlich für alle eingesetzten ehrenamtliche Katastrophenhelfer adäquat entschädigt und der Bund müsste den Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich entschiedener vorantreiben.

Und ja, auch darüber müsste wohl ernsthaft diskutiert werden: Bei der Flut im Erzgebirge 2002 und jetzt wieder in der Eifel wurden vor allem die engen und dicht besiedelten Flusstäler und deren Bergflanken zu tödlichen Fallen. Die Kombination aus sehr viel Wasser und steilen Abhängen birgt sehr viel mehr Zerstörungskraft als ein langsam anschwellender, großer Fluss. Einige, oft seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten besiedelte Gebiete werden wir daher eventuell aufgegeben müssen.

Diese wenigen Beispiele machen deutlich: Wenn wir die Folgen des Klimawandels wenigstens ansatzweise meistern wollen (und etwas anderes bleibt uns nach jahrelangem Nichtstun gar nicht mehr übrig) dann wird das in diesem Land mit seinen vielen Nutzungs- und Interessenkonflikten nicht ohne gesellschaftliche Zumutungen gehen.

Die Natur hilft uns

Zum Glück haben wir einen mächtigen Verbündeten: die Natur: Auch wenn sie sich gerade an vielen Stellen gegen uns wendet, kann sie uns doch auch vor den schlimmsten Effekten des Klimawandels beschützen. Eine Lehre aus dem Tsunami im Indischen Ozean 2004 war beispielsweise, dass eine intakte Natur einen großen Beitrag zur Katastrophenprävention leistet. Denn dort, wo es vor den Küsten Korallenbänke und an Land Mangrovenwälder gab. wurde die Monsterwelle stark abgebremst und die Menschen kamen oft einigermaßen glimpflich davon.

Intakte Bergwälder, eine große Biodiversität oder renaturierte Flussauen werden sich bei uns ähnlich dämpfend auf die Wetterkapriolen der kommenden Jahre auswirken. Naturschutz ist praktizierter Hochwasserschutz.

"There's no glory in prevention" - es liegt kein Ruhm in der Prävention, hieß es während der Corona-Pandemie. Eigentlich sollten wir in dieser anderen großen Krise unserer Tage gelernt haben, dass Prävention sehr wohl erfolgreich sein kann. Handeln wir endlich danach, wenigstens das sind wir den vielen Toten an Ahr und Mosel schuldig - vor allem aber den Generationen, die in den kommenden Jahrzehnten weiterhin sicher in diesem Land leben wollen.