
Herr Professor Raithel, bei welchen Beschwerden braucht man Endoskopien?
Bisher ist es so, dass Spiegelungen von Magen oder Darm etwa bei Magenschmerzen, Eisenmangel, Gewichtsverlust und Durchfällen durchgeführt werden, das sind die Leitsymptome. Ein großer Bereich ist auch die Vorsorgekoloskopie, um den Darmkrebs bzw. die Vorstufen des Darmkrebses frühzeitig zu erkennen, die so genannten Polypen oder Adenome.
Und die Spiralenteroskopie?
Mit der Spiralenteroskopie, also für den fünf- bis sieben Meter langen Abschnittes des Dünndarms, den man vorher mit dem Endoskop gar nicht gut untersuchen konnte, weil die Ballonverfahren sehr schwierig und auch sehr langwierig waren, kommt man sehr viel schneller in diesen Bereich des langen Dünndarms hinein. Dort ist die Hauptindikation für eine Spiegelung die Blutung. Deshalb haben wir uns auch entschieden, eine Spiralenteroskopie anzubieten, weil heute viele der älteren Patienten eine Blutverdünnung brauchen und ab und zu eine Dünndarmblutung erleiden. Damit kann man diese Patienten besser diagnostizieren und vor allem endoskopisch auch behandeln.
Wo liegen die Vorteile der Spiralenteroskopie?
Die Vorteile der Spiralenteroskopie liegen eindeutig darin, dass durch das Motor getriebene Prinzip es wesentlich schneller geht als mit anderen Enteroskopieverfahren. An der Spiralenteroskopie, die sich 30 Mal pro Minute nach vorne dreht, haben wir einen Kraftmesser dran, damit wir sehen, wie viel Kraft wir auf diesen Dünndarm übertragen, damit er nicht einreißt. Der Dünndarm und seine Wand sind, wie der Name schon sagt, nur zwei bis drei Millimeter dick. Man muss das schon sehr sorgfältig, vorsichtig und sanft machen. Für die Spiralenteroskopie braucht man einen richtigen Ausbildungskurs, das kann nicht jeder Endoskopiearzt machen. Das Verfahren, das in der Regel in Vollnarkose durchgeführt wird, wird auch sehr gut vertragen, aber in dem Moment, wo es Verwachsungen oder einen großen Tumor gibt, funktioniert das Prinzip natürlich nicht mehr so gut, weil die Dünndarmschleifen nicht mehr so beweglich sind.
Das sind dann aber auch Krankheiten, die Sie bei der Untersuchung sehen können.
Tumore können wir im Dünndarm sehen, aber man muss unterscheiden, ob der Tumor im Dünndarm selbst liegt und der Dünndarm noch beweglich ist oder man einen großen Bauchtumor wie etwa einen Eierstocktumor hat, der die Dünndarmfinger schon miteinander verwachsen hat. Das ist ein Unterschied. In der Situation, in der wir wissen, dass der Patient einen großen Tumor hat, kann man das Verfahren nicht anwenden.
Solche Untersuchungen gelten ja oft als sehr unangenehm. Wie ist es mit der motorisierten Spiralenteroskopie?
Jede Untersuchung kann danach zu Beschwerden führen, etwa zu Blähungen, Bauchschmerzen und auch Halsschmerzen durch das Einführen des Endoskops. Diese sind geringfügig weniger als bei den älteren Verfahren. Mit Blick auf schwere Nebenwirkungen wie einen Darmeinriss oder eine Blutung ist die Spiralenteroskopie aber sehr sanft und wenig invasiv.
Wie sind Ihre ersten Erfahrungen?
Wir sehen mit der Methode überraschende Ergebnisse. Denn auch in tieferen Darmabschnitten, in denen der Patient bisher gar nicht festgestellt hatte, dass dort sein Problem ist, zum Beispiel eine seltene Blutung lokalisiert ist. Wir haben hier also oft überraschende Befunde, mit denen man primär nicht rechnet und die man im CT oder mit der normalen Röntgendiagnostik nicht sieht.
