Nürnberg - Nach fast 16 Jahren als Bundeskanzlerin im Amt hat der Rückzug von Angela Merkel begonnen. Es scheint, dass sie mit sich im Reinen ist. Ein Kommentar von NZ-Chefredakteur André Fischer.

Als Ulrich Maly bekanntgab, dass er 2020 nicht mehr für das Amt des Nürnberger Oberbürgermeisters kandidieren wird, führte er zur Begründung an, dass Politik wie Bügelwäsche ist: Kaum ist der Korb leer, ist schon der nächste Korb voll. Das Sprachbild bezog auf die Kommunalpolitik, doch es gilt auch für die Bundes- und Europapolitik. Manche Krisen und Probleme, die eigentlich gelöst werden müssen, tauchen immer wieder auf. Manche verschwinden, andere kommen neu hinzu. Das ist eben Politik. Kanzlerin Angela Merkel, die Maly im übrigen aufgrund seiner Pragmatik und seines Humors sehr schätzt, hat in dieser Woche nach 16 Jahren mit ihrer Abschiedstour begonnen.

Wahrscheinlich die letzte Regierungserklärung

Die wohl letzte Regierungsbefragung fand mit ihr statt, ebenso die letzte Regierungserklärung und der letzte EU-Gipfel. Die Themen: Kritische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, vor allem, was die Einschränkungen der Freizügigkeit anbelangt. Die Neuauflage eines Flüchtlingsdeals mit der Türkei und damit die strukturelle Einbettung eines schwierigen Partners in die Außenpolitik der EU. Merkel wünscht sich auch, dass sich die EU konsequenter gegenüber russischen EU-Attacken verhält und insgesamt auf Krisen schneller reagiert. Das ist politische Bügelwäsche, die sich, wenn überhaupt, nur sehr schwer glatt bügeln lässt.

Merkels Ausführungen können natürlich als Teil ihres politischen Erbes interpretiert werden. Doch in der Politik sind Erben selten zu finden. Das wollen auch die Wählerinnen und Wähler nicht, denn 16 Jahre Merkel sind eine lange Zeit. Und für einen neuen politischen Ansatz ist es höchste Zeit. Die Spitzenkandidaten von Union, Grünen und SPD, Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz haben im Bundestag schon einmal versucht, die Kanzlerrolle einzunehmen. Alle drei haben ausdrücklich Merkel für ihren Einsatz um den Zusammenhalt in der EU gedankt. Das zeigt, dass auch in Zeiten des Wahlkampfs Merkel bei den politischen Gegnern wie den Grünen und der SPD Respekt genießt.

Viel Beifall für Laschet

Auffällig war, wie viel Beifall Laschet aus den eigenen Reihen bekommen hat. Offenbar wollen die Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU ihrem Kanzlerkandidaten Mut machen und zeigen, dass sie hinter ihm stehen, was in den vergangenen Monaten nicht immer der Fall war. Aufgrund der guten Umfragewerte hat der FDP-Vorsitzende Christian Lindner das Schaulaufen selbstbewusst genutzt, seine Partei in den Vordergrund zu rücken, und damit die Kandidaten und die Kandidatin daran erinnert, dass eine Regierungsbildung ohne die Liberalen wohl nur schwer möglich ist. Angela Merkel ist mit sich im Reinen, so scheint es jedenfalls. Mit einem Anflug von Humor wird sie ihre Amtszeit in den nächsten Wochen zu Ende bringen. Den nächsten Korb Bügelwäsche müssen ihre Nachfolger im Amt erledigen. Darüber freut sie sich zurecht.