Nürnberg - Rentnerinnen und Rentner dürfen nicht doppelt besteuert werden - das ist eindeutig. Dass es ein Urteil des Bundesfinanzhofs brauchte, um der Gefahr der Doppelbesteuerung vorzubeugen, ist der Politik anzulasten, kommentiert NZ-Chefredakteur Stephan Sohr.

Die eigentliche Wichtigkeit der beiden Urteile zur Rentenbesteuerung, die der Bundesfinanzhof gestern gefällt hat, ergibt sich nicht aus der Abweisung der beiden Klagen - so sehr die beiden Klagenden, ein Zahnarzt und ein Steuerberater im Ruhestand, nach der mündlichen Erörterung hoffen durften, das Gericht würde die verbotene Doppelbesteuerung ihrer Renten feststellen. Das tat es nicht - um aber sogleich davor zu warnen, dass für künftige Rentnerinnen und Rentner sehr wohl die „Gefahr“ bestehe, vom Fiskus doppelt besteuert zu werden.

Genau in der Beschreibung dieser Gefahr liegt die Bedeutung der beiden Urteile begründet. Die Sachlage ist, wie fast immer bei Steuersachen, kompliziert. Noch dazu in diesen beiden Fällen, wo Steuer- und Rentenmaterie zusammenkommen. Selbst die Vorsitzende Richterin gestand, dass die Kläger dem Gericht „einige Sachen zum Nachdenken gegeben“ hätten. Das ist vermutlich noch untertrieben.

Festgestellt hat das höchste deutsche Finanzgericht jedenfalls, dass weder der steuerliche Grundfreibetrag noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente mit einbezogen werden. Damit widerspricht der Bundesfinanzhof diametral der bisherigen Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums, das somit in der Praxis um eine Änderung der Rentenbesteuerung gar nicht mehr herumkommt. Und so dauerte es nicht lange, bis sowohl das Ministerium als auch der Hausherr sich nach den Urteilen zu Wort meldeten und versicherten, die Problematik werde geregelt.

Minister Olaf Scholz hat sogar eine „rasche“ Steuerreform nach der Bundestagswahl angekündigt, so dass die Rentnerinnen und Rentner künftig weniger Steuern zu zahlen hätten. Daraus spricht nicht nur die Einsicht, dass die Urteile des Bundesfinanzhofs nicht anders zu verstehen waren, sondern auch die klare Botschaft, dass das Thema keinen Aufschub duldet. Mit der heutigen Rentnergeneration legt man sich als Kanzlerkandidat im Bundestagswahlkampf nicht an - fast 40 Prozent der Wahlberechtigten sind 60 Jahre und älter. Und mit der künftigen auch nicht, denn ihr Anteil wird weiter steigen.


Besteuerung der Rente soll geändert werden


Fragen kann man natürlich, warum es das Bundesfinanzministerium überhaupt so weit kommen ließ, dass es ein höchstrichterliches Urteil dafür brauchte. Denn es ging hier nicht um ein Detail für steuerrechtliche Feinschmecker, sondern um die Kernfrage, ob die auf 35 Jahre angelegte Umstellung der Steuersystematik für die Rentner - von der sogenannten vorgelagerten (also der Rentenbeiträge) zur nachgelagerten Besteuerung (der Renten) wirklich gerecht abläuft oder nicht. Die gesetzliche Rente zukunftssicher zu machen, bleibt bei alledem eine Daueraufgabe.