Nürnberg - Wer die Wetterberichte in Deutschland verfolgt, bekommt von der Meteorologie meist Hoch- und Tiefgebiete präsentiert, die Franz, Inge, Barbara, Sabine oder Helmut heißen. In unserer Welt da draußen weht aber schon lange ein ganz anderer Wind. Ein Kommentar von Ella Schindler, Redakteurin und Vorstandsmitglied der Neuen deutschen Medienmacher*innen.

Bist du in Nürnberg, Fürth oder in einer anderen Großstadt mit der U-Bahn unterwegs, weißt du: Auch Ferdane, Igor, Bozena, Sandro oder Hadi sind mit dir unterwegs. Wir leben längst in einer postmigrantischen Gesellschaft. Ein Viertel der Menschen in Deutschland hat eine Einwanderungsgeschichte. In Nürnberg ist es bald jeder zweite.

Dieser Tatsache kann doch auch die Wetterberichterstattung Rechnung tragen: Das haben sich die Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM) gedacht und 14 Patenschaften für die Hochs und Tiefs im Januar übernommen. In diesem Monat werden dadurch unter anderem Ahmet, Goran, Jussuf, Flaviu, Dimitrios, Dragica und Chana für Sonne oder Regen sorgen. Mit ihrer Kampagne #Wetterberichtigung wollen die NdM die Vielfalt in der Bevölkerung sichtbar machen.


Wetter mit Migrationshintergrund: "Tief Ahmet" macht den Anfang


Wichtige Symbolik

Das ist ein richtiger Schritt, wenn auch nur ein symbolischer. Der Verein will es dabei nicht beim Wetter belassen. Er nimmt vor allem die Medien in die Pflicht und fordert sie dazu auf, die Vielfalt unserer Gesellschaft abzubilden – bei jedem Thema, in jeder Sendung. Gut so.

Wer die Blätter oder die Nachrichtenportale von heute in 100 Jahren anschaut, wird wohl sehr oft folgendes Bild von uns haben: Deutschland war vor allem das Territorium der weißen Menschen, die meisten Expertinnen und Experten hießen Müller, Götz, Huber oder Schneider, Menschen mit Migrationshintergrund kamen meist nur dann ins Spiel, wenn sie etwas besonders Tolles oder besonders Schlimmes getan haben oder ihre Erfahrungen mit Rassismus schildern sollten. Sieht unsere Gesellschaft wirklich so aus? Nein. Medienschaffende werden einfach ihrer Aufgabe als Chronisten der Zeit nicht immer gerecht. Immer noch nicht.


Im Februar mit Tempo 111 durch die Region: "Sabine" schüttelt Bayern durch


Wenig Vielfalt in Redaktionen

Man muss nichts schönreden. Aber die Medien sind gut beraten, wenn sie möglichst viele Facetten der Realität abbilden, um ernst genommen zu werden. Dafür braucht man jedoch auch eine facettenreiche Redaktion, Menschen, die verschiedene Prägungen und somit die nötigen Antennen haben – für Zwischentöne, unterschiedliche Sichtweisen, Wahrnehmungen und Themensetzungen.

Doch mit den Redaktionen verhält es sich nicht anders als mit den bisherigen Namen für Hoch- und Tiefdruckgebiete in Deutschland: Ahmet, Dragica oder Chana sind dort nach wie vor eher die Ausnahme. Der Anteil an Journalist*innen mit Migrationshintergrund in den deutschen Medien liegt schätzungsweise immer noch unter zehn Prozent.

Diversitätsquote als Hilfsmotor

Ihre Wetter-Kampagne nutzen die NdM daher auch dafür, eine Diversitätsquote in den Medien zu fordern: Medien sollten sich verpflichten, bis 2030 eine Quote von 30 Prozent für Journalist*innen aus Einwandererfamilien einzuhalten. Es wäre den gesellschaftlichen Verhältnissen und auch dem Anspruch auf einen qualitativen Journalismus angemessen.

Vielen Redaktionen ist es schon bewusst. Sie wünschen sich Diversität. Die Lücke zwischen „wir hätten es gern“ und „wir setzen es um“ ist jedoch groß. Die Quote kann dabei der nötige Hilfsmotor sein. Sie erzeugt eher den Druck zu handeln als die guten Vorsätze.