
Herr Märtz, bei Ihrer Pressekonferenz Ende Januar während der Spielwarenmesse in Nürnberg gab es für die Medienvertreter ein kleines antibakterielles Handreinigungsspray - das Coronavirus war da schon wegen der Aussteller und Besucher aus China ein Thema. Hatten Sie es damals für möglich gehalten, dass die Lungenkrankheit hierzulande zu solch einem Problem werden würde?
Märtz: Nein, ich habe zu dieser Zeit nicht damit gerechnet, dass es zu einer Pandemie kommen könnte, wie wir sie jetzt erleben. Diese Entwicklung, war für uns so Ende Januar nicht absehbar. Sie hat uns wirklich überrascht.
Coronavirus: Weniger Besucher auf der Nürnberger Spielwarenmesse
Der Vedes gehören rund 700 Spielwarenfachhändler mit insgesamt 900 Standorten an, darunter viele kleine Mittelständler. Wie stecken Ihre Mitglieder die Corona-Krise weg?
Märtz: Der Fachhandel ist massiv unter Druck, viele Geschäfte haben Liquiditätsprobleme. Vor dem Hintergrund, dass die Spielwarenläden wegen des Coronavirus schließen mussten, ist es skandalös und wettbewerbsverzerrend, dass unser Hauptkonkurrent, die Drogeriemarktkette Müller, weiter Spielzeug verkaufen darf. Erst recht mit Blick auf das für unsere Mitglieder wichtige Ostergeschäft. Müller verkauft Spielwaren nicht in kleinem Umfang, sondern ist ein Vollsortimenter. In Österreich darf die Drogeriemarktkette keine Spielwaren mehr verkaufen, in Deutschland gibt es aktuell eine solche bundesweite Regelung nicht. Genau die aber fordern wir bei den politisch Verantwortlichen ein.
Bund und Länder haben Unternehmen finanzielle Hilfe zugesagt. Diese Mittel kann auch der Spielwarenfachhandel nutzen. Reichen diese Maßnahmen Ihrer Meinung nach aus?
Märtz: Es ist absolut richtig und notwendig, dass die Politik Finanzhilfen zur Verfügung stellt. Das Problem ist nur: Die Hilfen kommen nicht an bei den Betroffenen…
…warum?
Märtz: Stellen Sie sich vor, ein kleiner Händler geht jetzt zu seiner Hausbank, um staatliche Angebote anzuzapfen, etwa über die KfW. Das setzt voraus, dass es bei der Bank jemanden gibt, der sich damit auskennt und der auch da ist. Auch viele Geldinstitute arbeiten aber wegen Corona mit reduzierten Belegschaften oder haben sogar Filialen geschlossen. Kurz: Es ist ein Flaschenhals. Um die Maßnahmen schnell zum Laufen zu bringen, müsste die Politik jetzt auf die Verbundgruppen, die es in jeder Branche gibt, zukommen und diese als Koordinationsstellen für die Finanzhilfen nutzen. Das würde die Prozesse vereinfachen und gleichzeitig beschleunigen. Für den Spielwarenfachhandel würden wir diese Rolle gerne übernehmen.
Spielwarenmesse: Vedes setzt auf Digitalisierung
Händler, die im Onlinegeschäft aktiv sind, haben jetzt eindeutig einen Vorteil. Im mittelständisch strukturierten deutschen Spielwarenfachhandel sind allerdings noch viele offline - eine Baustelle, an der die Vedes seit Jahren arbeitet. Wird die Coronakrise der Digitalisierung in Ihrer Branche, bei Ihren Mitgliedsbetrieben einen Schub geben?
Märtz: Bei uns hat sie das schon: Wir haben in den vergangenen zwei Wochen etliche weitere Fachhändler mit unserer Online-Shop-Lösung ausgestattet, so dass sie via Internet über das sogenannte virtuelle Regal auf das gesamte Vedes-Sortiment zugreifen und ihre Kundschaft weiter bedienen können, auch bei geschlossenen Ladengeschäften. Die Zahl der Händler, die das Internet auf diese Weise nutzt, ist bei der Vedes binnen kurzem von 164 auf nunmehr gut 200 gestiegen. Ja, die Coronakrise wird die Digitalisierung im Spielwarenfachhandel vorantreiben. Denn spätestens jetzt dürfte jedem Händler klar sein, dass er den Online-Kanal bespielen muss. Corona ist hier ein Evolutionsbeschleuniger.
Die Vedes bedient als führender europäischer Spielwaren-Großhändler nicht nur den Spielwarenfachhandel, sondern auch andere Branchen, zum Beispiel Lebensmittelhändler. Was bedeutet die Coronakrise für die Bilanz der Vedes?
Märtz: Wir hatten 2019 ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr. Der Vorsteuergewinn (EBT) im Konzern kletterte von rund 500.000 Euro im Jahr 2018 auf nun 1,2 Millionen Euro, der Umsatz legte um drei Prozent zu. Heuer wollten wir richtig durchstarten. Wie das Geschäftsjahr nun wirklich läuft, hängt maßgeblich davon ab, wie lange die Coronakrise und der Shutdown andauern.
Wie viel Prozent des Vedes-Konzernumsatzes entfallen denn auf den Fachhandel? Und wie sieht die Lage in Ihrem Zentrallager in Lotte/Osnabrück aus?
Märtz: Der Spielwarenfachhandel steht für etwa 60 Prozent unseres Umsatzes. Darüber hinaus beliefern wir den Lebensmittelhandel und Online-Händler - diese allerdings nicht mit Exklusivprodukten, die ausschließlich unseren Fachhändlern vorbehalten sind. In Lotte fahren wir derzeit - wie viele andere Unternehmen auch - mit getrennten Schichten und Teams, um funktionsfähig zu bleiben. Die eingehenden Aufträge werden abgearbeitet, Bestellungen ausgeliefert. Umsätze, vor allen aus dem Nicht-Spielwarenfachhandel, sind da.
Mit Blick auf das eigene Unternehmen kann man Sie getrost als krisenerprobt bezeichnen: Bei Ihrem Amtsantritt als Vedes-Chef 1999 hatte mancher Branchenbeobachter schon das Totenglöckchen für das Traditionshaus geläutet.
Märtz: Stimmt. Aber wir haben damals die Vedes wieder auf Kurs gebracht. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die in Krisen noch zusätzlich Panik schüren. Das bringt nichts. Es gilt vielmehr, besonnen zu handeln und sich gut zu organisieren, um durch solch schwierige Zeiten zu kommen. Deshalb suchen wir ja auch aktiv den Kontakt mit der Politik, um mitzuhelfen, Weichen richtig zu stellen. Und unseren Händlern geben wir lange Zahlungsziele und schütten an sie die Rückzahlungen, die Boni aus dem Geschäftsjahr 2019 früher als sonst aus, um ihre Liquidität zu stützen.
Zur Person
Thomas Märtz, Jahrgang 1959, kam 1999 zur Spielwarenfachhandelsorganisation Vedes, die damals in schweren wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte. Der gebürtige Heidelberger, der zuvor bei dem baden-württembergischen Fenstertechnikspezialisten Roto Frank AG als Finanzchef tätig war, sanierte das Nürnberger Traditionsunternehmen. Märtz ist promovierter Wirtschaftswissenschaftler und Steuerberater, zu seinen beruflichen Stationen zählt auch die Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst&Young in Stuttgart, wo er die volkswirtschaftliche Abteilung leitete.
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