
Im Leben treffen oft Welten aufeinander. So wie jetzt gerade. Während der Handel mit dem Black Friday oder gleich einer Black-Friday-Woche zur ultimativen Schnäppchenjagd bläst, rufen gleichzeitig Konsumkritiker – deutlich weniger öffentlichkeitswirksam – seit Jahren zum Kauf-nix-Tag am letzten Freitag im November auf.
Kauf-nix-Tag statt Black Friday
Der Kauf-nix-Tag (Englisch: Buy Nothing Day) wurde 1992 geboren und will dafür sensibilisieren, das eigene Konsumverhalten bewusst zu hinterfragen – nicht zuletzt mit Blick darauf, welche Folgen es für Mensch und Umwelt hat. In Zeiten der allgegenwärtigen Klimadebatte und Fridays-for-Future-Demos ein brandaktueller Ansatz.
An Rolf Bürkl gehen beide Aktionen ziemlich spurlos vorbei, wie der Konsumexperte des Nürnberger Marktforschungsunternehmens GfK freimütig einräumt. "Ein Schnäppchenjäger bin ich nicht. Ich kaufe dann, wenn ich etwas benötige. Dabei versuche ich schon, mein Kaufverhalten so auszurichten, dass es nicht ausbeuterisch ist", sagt der Volkswirt, der sich selbst als "überwiegend Bedarfskäufer" beschreibt. T-Shirts für zwei Euro etwa kämen ihm nicht in die Tüte.
Vor Black Friday 2019: Deutsche sind im Kaufrausch
Auch wenn der "Bedarfskäufer" Bürkl nicht der Traumkunde des Einzelhandels ist: Für die Branche hat der 58-Jährige, der seit 27 Jahren bei der GfK die Befindlichkeit der Verbraucher hierzulande für das hauseigene monatliche Konjunkturbarometer "Konsumklima" analysiert, gute Nachrichten im Gepäck.
Die Stimmung der Konsumenten hat sich fristgerecht zur heißen Phase vor Heiligabend wieder aufgehellt. So sehr sogar, dass die Umsätze beim Black Friday das Weihnachtsgeschäft noch übertreffen.
Die Menschen sehen in Sachen Konjunktur nicht mehr so schwarz wie noch im Oktober, die Entwicklung ihrer finanziellen Lage beurteilen sie überaus optimistisch – was die GfK in ihrer aktuellen Konsumklima-Studie mit der unter dem Strich immer noch guten Beschäftigungslage und der damit einhergehenden guten Entwicklung bei Arbeitseinkommen und Renten begründet.
Auch die wieder gesunkene Inflation entlastet den Geldbeutel. Das Fazit der Marktforscher: "Die deutschen Verbraucher lassen sich ihre Konsumlaune nicht verderben."
Vor Black Friday 2019: Geldpolitik sorgt für schlechte Laune
Wobei das mit der Laune so eine Sache ist. Denn eine Quelle der nach wie vor sehr hohen Anschaffungsneigung – dieser Indikator bestimmt mit der Konjunktur- sowie der Einkommenserwartung im Wesentlichen den Konsumklima-Index – ist die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Und die wiederum sorgt bei Sparern durchaus für schlechte Laune.
Nicht nur, dass es auf Einlagen so gut wie nichts mehr gibt. Vielmehr drohen nun auch Privatanlegern, wenn sie ihr Geld zur Bank tragen, Strafzinsen – "aus meiner Sicht werden sie immer wahrscheinlicher", so Bürkl. Eine solche Strategie der Geldhäuser werde vermutlich den einen oder anderen dazu veranlassen, eher mehr Geld in Anschaffungen zu stecken als es auf die hohe Kante zu legen, formuliert der Ökonom die möglichen Folgen.
Strafzinsen könnten sich damit als Konsum-Katalysator erweisen. Was mit Blick auf das Wirtschaftswachstum erst einmal nicht das Schlechteste wäre: Der private Konsum steht für rund 55 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts, die Verbraucher sind damit eine wichtige Stütze der Konjunktur.
Black Friday 2019: Konsum kann fatale Folgen haben
Der Haken dabei: Wenn der Konsum zulasten der Altersvorsorge geht, kann das fatale Konsequenzen haben – nämlich zu wenig finanzielle Mittel im Rentnerdasein. Ein Thema, das Volkswirt Bürkl nicht erst seit gestern umtreibt: „Eigentlich müsste man gerade wegen der niedrigen Zinsen noch mehr Vorsorge für später treffen.“ Der Einzelhandel hofft jetzt erst einmal auf ausgabefreudige Verbraucher. Damit einen nach dem Kaufrausch nicht der Kater trifft, hilft ein wichtiger Tipp - der 2019 so aktuell ist wie vor 25 Jahren.
Kein Wunder: Das Weihnachtsgeschäft entscheidet in vielen Geschäften darüber, wo das Jahr 2019 in der Spannbreite zwischen Top und Flop wirtschaftlich rangiert. „Der stationäre Handel erzielt fast ein Fünftel, der Internethandel etwas mehr als ein Viertel seines Jahresumsatzes in November und Dezember“, brachte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE), die Brisanz jüngst auf den Punkt. In der Spielwarenbranche liegt der Anteil noch deutlich höher – was das Risiko alle Jahre wieder noch größer macht.
Aufgepasst am Black Friday: An den Rabattaktionen mitzumachen kann sinnvoll sein - oft fallen sie aber gar nicht so hoch aus, wie einem die Werbung vormachen will. Ein Experte warnt sogar: "Rabatte sind eine starke Droge".
