
"Meine Stimme wird viel eher gehört, wenn ich schwänze", so formuliert es die inzwischen berühmte Klimaaktivistin Greta Thunberg. Und so werden auch heute wieder Jugendliche im Freistaat für ihr Anliegen auf die Straße gehen – und möglicherweise wegen Schulschwänzens bestraft. Dabei geht es in den Augen der jungen Demonstranten um nichts Geringeres als um eine lebenswerte Zukunft, die sie durch eine Klimakrise (und das behäbige Nichtstun der Erwachsenen) bedroht sehen. Deshalb streiken die Jungen als Teil der #FridaysforFuture-Bewegung und tun, nebenbei bemerkt, genau das, was sie angeblich oft vermissen lassen: sie engagieren sich.
Auch wenn dem Kultusministerium bislang kein Fall bekannt ist, in dem ein Bußgeld verhängt wurde, wie Ministeriumssprecher Daniel Otto unserer Redaktion sagt. Verweise hätten einzelne Schulen durchaus an Demo-Teilnehmer verteilt, um mit "dieser pädagogischen Maßnahme" das unentschuldigte Fehlen zu sanktionieren, und eine Verhaltensänderung zu bewirken. Alternativ können Streikende zum Nachsitzen oder deren Eltern zum Gespräch einbestellt werden. Im Extremfall droht sogar der Schulausschluss.
So weit wollen es viele Schulleiter freilich nicht kommen lassen. Sie versuchen stattdessen, kreative Lösungen zu finden. Das kann eine eigene Aktion sein, wie ein schulinterner Klimatag oder die Gründung eines Arbeitskreises, der den Plastikverbrauch im Schulhaus im Nürnberger Land minimieren hilft. Das kann ein frühzeitiger Schulschluss wie an einem Fürther Gymnasium ebenso sein wie das Vorziehen des Unterrichts, wie an einer Schwabacher Einrichtung geschehen. Oder es kann, wie von einem Neumarkter Gymnasium heute geplant, ein Klassenausflug zur Klimademo nach Nürnberg sein.
Anzahl der Sanktionen unklar
Trotzdem klappt es nicht überall mit für alle akzeptablen Kompromissen. So sorgte der Elternbrief einer Münchner Schule für reichlich Ärger. Was für die Schulleitung lediglich ein Hinweis auf die Rechtslage war, klang für manche Erziehungsberechtigten der Streikenden wie die Ankündigung eines Bußgeldes.
Und wie viele Verweise wurden bisher erteilt? "Darüber haben wir keinen Überblick", sagt Ministeriumssprecher Otto. Der Aufwand, das zu erheben, sei zu hoch; außerdem wolle man den Eindruck vermeiden, die Schulen zu kontrollieren. "Die Schulleiter kennen ihre Schüler und deren Eltern doch am besten."
Jene könnten laut Sprecher Otto daher am besten angemessen und individuell im Fall der Fälle reagieren, zumal es unter den Streikenden unterschiedlichste Schülertypen gebe. Also auch solche, die nicht demonstrieren, sondern einfach blaumachen. Auch Martin Rohde, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Mittelfranken, winkt ab. "Eine einheitliche Linie kann und wird es nicht geben."
Hoffen auf Einsicht der Schüler
Dass es das Ministerium nicht gutheißt, wenn Schüler – ganz gleich, wie gut und nachvollziehbar deren Motiv sein mag – jeden Freitag im Unterricht fehlen und "auf Bildung verzichten", versteht sich von selbst. Nicht verstehen muss man jedoch, warum Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) und sein Ressort den Schwarzen Peter allein den Schulen zuschieben.
Dieses Wegducken in der Frage "Sanktion – ja oder nein?" mit dem Verweis auf die "eigenverantwortliche Schule" rechtfertigen zu wollen, ist ebenso wenig hilfreich wie auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Ministeriumssprecher Otto: "Wir hoffen auf die Einsicht der Schüler und darauf, dass die Demos künftig am Wochenende oder in der unterrichtsfreien Zeit stattfinden."
Schulen "werden mit dem Thema alleingelassen"
Und was, wenn nicht? Bleibt es bei der bisherigen Linie, müssen sich die Schulleitungen, wie so oft, allein dieser Herausforderung stellen. Zwar wird der ministerielle Hinweis auf die Rechtslage vielleicht den wenig pädagogisch Einfühlsamen unter den Direktoren helfen, zur Not eben mit harten Sanktionen die Streiks während der Schulzeit zu unterbinden. Gerade die Schulleiter, denen Augenmaß wichtig ist, geraten allerdings zunehmend in eine Zwickmühle.
Sie wissen, dass sie für die Demos keine Schulbefreiungen erteilen dürfen, wie einmalig etwa an Schulen im Kreis Forchheim praktiziert. Denn solche Befreiungen sehen die Regularien nur für Trauerfälle in der Verwandtschaft oder für besondere Familienfeste vor, nicht aber für politische Veranstaltungen. Deshalb stimmt die Klage, wie sie Günter Lenyk von der Neumarkter Mädchenrealschule erhebt: "Wir werden mit dem Thema alleingelassen."

