NEUMARKT - Aphrodisierend soll sie wirken, bare Häupter in Wuschelköpfe verwandeln und für glückliche Ehejahre sorgen. Nicht alles, was der Quitte nachgesagt wird, stimmt. Doch die duftende Vitaminbombe erobert sich nach jahrelangem Dornröschenschlaf ihren Platz auf Wiesen und in Gärten zurück. Auf der Obstbörse am Wochenende können sich Neugierige über die gesunde Leckerei informieren.

Der Genuss der goldgelben Früchte versprach den Göttern ewige Jugend. Kein Wunder, dass die jungen Frauen, Töchter der Nachtgöttin, die in dem paradiesischen Garten lebten, den Baum und seine Gaben um jeden Preis schützen mussten. Den Wächterinnen zur Seite stand ein hundertköpfiger Drache zur Abschreckung von Dieben. So beschreibt die Hesperiden-Sage aus der griechischen Mythologie den Wert der „kydonischen Äpfel“, kurz: der Quitten. Ursprünglich stammt die Obstsorte aus dem südlichen Kaukasus, verbreitete sich aber vor schätzungsweise 4000 Jahren durch Handel in Orient und Okzident. Arme fertigten daraus Quittenbrot und aßen es als Süßigkeit. Im viktorianischen England brachten junge Männer ihren Angebeteten ein Stück davon als Liebesbeweis dar. Ihr Bezug zu Fruchtbarkeit, Glück und Liebe blieb der Frucht noch lange erhalten.

Bis acht Meter hoch

Das größte Anbaugebiet liegt heute in der Türkei, doch auch in Südamerika und dem Mittelmeerraum sprießen die vier bis acht Meter hohen Bäume — und bis vor Jahren auch noch in beinahe jedem deutschen Hausgarten. „Quittenbäume sind heute selten“, weiß Mario Nießlbeck, der in Neumarkt einen Obst- und Gemüseladen betreibt. Doch die Frucht ist seit einiger Zeit wieder im Kommen. „Die Nachfrage ist da“, bestätigt der Neumarkter. Sechs Kilo hat er an diesem Tag auf einen Schlag (an einen mutmaßlichen Geleeliebhaber) verkauft. Der Preis fürs Kilo liegt zwischen 1,50 und zwei Euro. Moderat. An jungen Frauen oder einem hundertköpfigen Ungetüm musste sich der Händler allerdings nicht vorbeikämpfen, um an die Ware zu kommen.

Er bezieht die Venusäpfel vom Großmarkt, wo Importe und Obst von heimischen Bauern zum Verkauf stehen. „Die Quitten aus der Region sind noch relativ klein, die aus anderen Gebieten sind manchmal schon doppelt so groß wie ein Apfel“, beschreibt Nießlbeck. Er selbst hat bislang nur Gelee gekostet. Aber: „Man kann unglaublich viel damit machen“, erklärt Expertin und Buchautorin Monika Schirmer, die bei der Obstbörse am kommenden Wochenende einen Vortrag halten wird. Sechs Sorten wachsen in ihrem Garten, insgesamt gibt es hierzulande rund 70. Sie selbst legt Stücke gern ungekocht in Honig ein. Im Kühlschrank halten sich die Früchtchen so bis zu zwei Jahre.

„Quitten schmecken auch als Beilage zu Fleisch, Fisch oder Wild“, verrät die Regensburgerin. Und: Sie sind gesund. Laut Schirmer enthalten sie mehr Pektin (Ballaststoff) als Äpfel, außerdem Folsäure und Kalium. Schon die Gelehrte Hildegard von Bingen wusste um ihre Heilkraft, insbesondere bei Rheuma. Beliebt ist die Frucht mit der harten Schale außerdem als Duftspender. Ihr Aroma ist so vielschichtig, dass jede Nase unterschiedliche Nuancen wahrnimmt. Von Honig bis Pfirsich reichen die Beschreibungen. Ein Grund, warum die Cydonia (der botanische Begriff) wieder Einzug in Gärten und Küchen hält? „Das ist ein Mosaik aus verschiedenen Faktoren“, vermutet Schirmer.

Vielleicht hat auch ihr 2000 erschienenes Buch „Die Quitte — Eine fast vergessene Obstart“ dazu beigetragen. Ein Werk, das anfangs kein Verlag haben wollte. Und das heute in der fünften Auflage ausliegt.

Dieser Artikel wurde am Samstag um 15.29 Uhr aktualisert.