München - Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen prüft Bayern unter Ministerpräsident Söder seine Klimaziele. Mögliche Anpassungen der Zeitpläne stehen im Raum. Aber was hat sich seit dem Klimaschutzgesetz getan?

12. Dezember 2015, UN-Weltklimakonferenz in der französischen Hauptstadt: 195 Staaten versammeln sich, um zusammen mit der EU das Pariser Klima-Abkommen zu verabschieden. Deutlich unter zwei Grad Celsius wolle man bei der Erderhitzung bleiben und möglichst alles in die Wege leiten, um nicht über 1,5 Grad zu landen. Der damalige US-Präsident heißt Barack Obama, Angela Merkel ist Bundeskanzlerin - und Horst Seehofer Bayerischer Ministerpräsident.

Seit über sieben Jahren regiert nun Markus Söder den Freistaat. Zu seinem Amtsantritt 2018 hatte sein erstes Kabinett das Klimaschutzgesetz angestoßen. Söder wollte Bayern bundesweit als Vorreiter positionieren, bezeichnete Klimaschutz im Juni 2019 als „moralische Aufgabe“. Und er sagte: „Nicht zu handeln, wäre eine Sünde und ein schwerer politischer Fehler, der uns schneller einholt, als wir denken“. Der Landtag stimmte im November 2020 zu, in Kraft getreten ist das Klimaschutzgesetz am 1. Januar 2021, der Kerngedanke: Bayern muss bis 2040 klimaneutral sein.

Hehre Ziele, doch der Blick auf die aktuelle Realität ernüchtert. „Klimaschutz bleibt eine zentrale Zukunftsaufgabe“, machte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) im Oktober dieses Jahr noch klar. Gleichzeitig äußerte er sich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk schriftlich: „Wir wollen uns mit dem Bund verschränken.“ Das heißt: Die Ziele sollen um fünf Jahre nach hinten verschoben werden – auf 2045. Glauber zufolge darf die klimapolitische Diskussion „nicht auf Gesetze und Jahreszahlen reduziert werden“.

Dabei hat sich in Bayern seit dem Pariser Klima-Abkommen durchaus etwas bewegt. Vor allem beim Ausbau der Photovoltaik ist der Freistaat Vorreiter. Nach Angaben des bayerischen Umweltministeriums wurden allein im Jahr 2023 mehrere Gigawatt neue Solaranlagen installiert; Solarstrom ist inzwischen die wichtigste erneuerbare Energiequelle im Bundesland. Der Energieatlas Bayern weist aus, dass zuletzt mehr als ein Viertel der bayerischen Bruttostromerzeugung auf Photovoltaik entfiel.

Auch insgesamt wächst der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix. Der Klimabericht 2024 der Staatsregierung hält zudem fest, dass die Treibhausgas-Emissionen pro Kopf im Jahr 2023 auf rund 6,2 Tonnen CO₂-Äquivalente gesunken sind und damit unter dem Bundesdurchschnitt liegen. In einzelnen Bereichen lassen sich also Fortschritte belegen. Gleichzeitig zeigt derselbe Klimabericht des Umweltministeriums, wie groß die Lücke zu den eigenen Zielen weiterhin ist.

Bayern ist Vorreiter bei Photovoltaik, hinkt aber bei Windenergie im bundesweiten Vergleich stark hinterher

Trotz rückläufiger Tendenz verursachte Bayern im Jahr 2023 insgesamt noch rund 83 Millionen Tonnen Treibhausgase. Besonders deutlich wird das Problem im Verkehrssektor: Nach Zahlen der Staatsregierung entfallen rund 25 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente auf Verkehr – damit ist er weiterhin der größte Emittent im Freistaat. Hinzu kommt der jahrelang stockende Ausbau der Windkraft. Fachportale wie Clean Energy Wire verweisen darauf, dass Bayern aufgrund der lange geltenden 10H-Abstandsregel im Bundesvergleich deutlich zurückgefallen ist und erst seit Kurzem wieder steigende Genehmigungszahlen verzeichnet.

Vor diesem Hintergrund stößt die Ankündigung der Staatsregierung, das Ziel der Klimaneutralität von 2040 auf 2045 verschieben zu wollen, auf Kritik. Umweltverbände und Energieexperten erinnern daran, dass das Pariser Klima-Abkommen – dessen Umsetzung Bayern selbst einst betonte – gerade keine zeitlichen Spielräume vorsieht, sondern schnelle und verbindliche Emissionsminderungen verlangt.

BUND Naturschutz bringt Postkarte in Staatskanzlei
Der BUND Naturschutz überbrachte Ministerpräsident Markus Söder eine große Postkarte in die Staatskanzlei, um an die Pariser Klimaziele zu erinnern. © Aline Venet/BUND Naturschutz

So brachte der BUND Naturschutz am Freitag, 12. Dezember, Söder eine große Postkarte als „Andenken an Paris“ in die Staatskanzlei. „Anscheinend ist es nötig, immer wieder an das Pariser Abkommen und seine Umsetzung zu erinnern“, erklärte Kasimir Buhr, Referent des BUND Naturschutz für Energie und Klima. „Die Einhaltung des Klimaziels ist keine höfliche Empfehlung, sie ist eine bindende völkerrechtliche Verpflichtung.“ Und sie sei „Voraussetzung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.“

Deshalb fragt der BUND Naturschutz mit seinem Gruß aus Paris den Ministerpräsidenten auch, ob es vor diesem Hintergrund „sinnvoll ist, das Bayerische Klimaschutzgesetz umzuschreiben und die Klimaziele zu verschieben“. Auch wenn Bayern beispielsweise beim Ausbau der Photovoltaik auf einem guten Weg sei, rücke der Freistaat zunehmend von effektiven Klimaschutz-Maßnahmen ab.