Nürnberg - In Nürnberg fliegen im Kommunalwahlkampf die Pfeile (oder zumindest Pfeilchen). SPD-Chef Ahmed teilt aus, Oberbürgermeister König schießt zurück. Es geht um den Leerstand der Innenstadt. So reagiert das Netz.

„Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd“, soll Otto von Bismarck einst gesagt haben. Ob das wirklich stimmt oder nicht, lässt sich heute kaum mehr feststellen, ganz im Gegensatz zum Wahrheitsgehalt der Aussage. Dem amtierenden deutschen Kanzler jedenfalls wird von verschiedensten Seiten offen Wortbruch vorgeworfen, stand er doch im Wahlkampf noch für den Erhalt der Schuldenbremse ein – nur um dann mal schnell das größte Schuldenpaket aller Zeiten zu schnüren. Aber das war ja auch nach dem Wahlkampf. Auf Bundesebene ist der längst passé. Auf Kommunalebene hingegen läuft der Zirkus um den Stimmenfang gerade auf Hochtouren.

So auch in Nürnberg. SPD-Chef Nasser Ahmed möchte gerne Bürgermeister werden. Oberbürgermeister Marcus König von der CSU möchte es gerne bleiben. Im März 2026 geht es an die Urnen. Zwar wird traditionell auf Kommunalebene nicht unbedingt mit den ganz besonders alternativen Fakten hantiert, dennoch kommt es hier und da durchaus zu unterschiedlichen Interpretationen der Wahrheit. Und die werden von den Kandidaten gegeneinander ins Feld geführt. Eines der schärfsten Schwerter im Arsenal des modernen Wahlkämpfers sind in der Hinsicht inzwischen Soziale Medien. Wer die Masse auf Instagram oder Tiktok hinter sich weiß, kann dem Kontrahenten empfindlichen Schaden zufügen.

Nasser Ahmed dreht Video mit Reality-Star Antonella

Nun beherrschen nicht alle Politiker das Spiel mit diesem neuen Medium gleich gut. Gerade ältere Würdenträger fremdeln bisweilen mit den sonderbaren Spielregeln im Netz. Manche gehen dabei sogar viral – nicht immer aus den Gründen, die sie dabei im Sinn hatten ...

Nürnberg-SPD-Chef Nasser Ahmed fällt nicht in diese Kategorie. Stets adrett gekleidet, meist mit einem Lächeln im Gesicht, usurpiert der 37-jährige Herausforderer von Marcus König nun ein Thema, das nicht nur in Nürnberg seit längerem für Unmut in der Bevölkerung sorgt: Das Sterben der Innenstädte.

Um auch sicher nichts dem Zufall zu überlassen, holte Ahmed sich in Sachen Social Media dann noch Schützenhilfe bei Reality-Sternchen und Influencerin Chiara Antonella.

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Gemeinsam schlenderten die beiden durch die Nürnberger Altstadt und fragten Passanten, was hier fehle. Die Antworten in dem mit Musik unterlegten Clip reichen von „Vielfalt“ über „Farbe“ bis „was fehlt eigentlich nicht?“. Hinter all dem Spaß, den die beiden augenscheinlich beim Drehen hatten, steckt natürlich staubtrockenes Kalkül. Ahmed übt mit der Aktion subtil Kritik am Status quo. Kritik an Amtsinhaber Marcus König, der nicht genug oder nicht effektiv genug gegen den Leerstand ankämpft. So lautet die Message zwischen den Zeilen. Aber: „Wir packen an“, heißt es in der Beschreibung.

„Schlimm hier. Ganz schlimm.“ - Marcus König schießt zurück

Eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Oberbürgermeister König vergalt Gleiches mit Gleichem – und machte sich seinerseits auf, das vermeintlich leere Zentrum mit seiner Anwesenheit zu beehren.

Pfeift bei Ahmed und Antonella noch der eisige Wind der Einsamkeit durch die Fußgängerzone, kann König vor lauter Menschen kaum noch das Kopfsteinpflaster sehen. „Auf der Suche nach dieser furchtbaren Innenstadt, die keiner besuchen will…“, heißt es in dem Video sarkastisch. „Schlimm hier. Ganz schlimm.“, lautet sein Urteil in der Beschreibung – ein klarer Seitenhieb auf Ahmed.

Auch König hat seine Social-Media-Hausaufgaben gemacht. Im Hintergrund läuft das Pink Panther Theme, im Vordergrund marschiert König selbst, stets von hinten gefilmt und schaut auf seiner Mission für die Gunst der Wähler Leute, so weit das Auge reicht.

Da gibt es nur ein Problem, das einige Kommentatoren auch schnell aufgreifen ...

„Wow während dem Christkindlesmarkt was ein tolles Beispiel [sic]“, kommentiert einer. Eine Userin kritisiert: „Äpfel mit Birnen verglichen: das Oktoberfest sagt jetzt auch nicht viel darüber aus wie geil die Münchner Innenstadt ist..“ Andere pflichten König bei: „Mir geht es JEDES MAL so wenn ich in die Innenstadt fahre. Es ist voll und i h frage mich warum alle so schimpfen? [sic]“ Die Userin ergänzt dann allerdings: „Gut bin nur am Wochenende drin, aber trotzdem.“

Wer die Runde gewonnen hat, wird an dieser Stelle dem weisen Urteil der fleißigen Social-Media-Community überlassen. Und wer die Wahrheit am geschicktesten für seine Zwecke interpretiert hat, Marcus König oder Nasser Ahmed, das stellt sich dann spätestens im März heraus. Denn was die Stimmauszählung angeht, gibt es keinen Interpretationsspielraum. Dann interessieren ausschließlich nackte Zahlen. Und ob der Leerstand nach der Wahl endgültig behoben wird oder eigentlich eh nie vorhanden war, werden die Bürger ganz sicher herausfinden - auf die ein oder andere Weise.