Augsburg - Vor über 500 Jahren gründete der damals wohl reichste Mann der Welt eine Wohnsiedlung für bedürftige Menschen in Augsburg. Nach einem halben Jahrtausend zahlen die Bewohner dort weiterhin nur 88 Cent Miete – im Jahr.

Der Wohnungsmarkt in Deutschland sorgt regelmäßig für Gespräche in der Politik, die Suche nach bezahlbarem Wohnraum gestaltet sich immer schwieriger.

Auch die Zahl der Sozialwohnungen sinkt. Ende 2024 soll es bundesweit nur noch rund 1,05 Millionen öffentlich geförderte Wohnungen gegeben haben, heißt es in einem Bericht der Zeit, im Vergleich zu 2023 bedeute das etwa 26.000 Wohnungen weniger.

Umso erstaunlicher klingt die Tatsache, dass es mitten in Bayern noch einen Ort gibt, an dem Menschen dieselbe Miete bezahlen, wie vor 500 Jahren. In der sogenannten Fuggerei in Augsburg zahlen die etwa 150 Einwohner auch heute noch 88 Cent Kaltmiete im Jahr.

Wie leben die Menschen in der Fuggerei? Wie wird die Siedlung finanziert, wenn die Mieten sich seit 500 Jahren nicht verändert haben? Und könnte dieses Konzept auch außerhalb der Fuggerei funktionieren?

Vor über 500 Jahren gegründet - Das steckt hinter der Fuggerei in Augsburg

Vor über 500 Jahren, genauer genommen am 23. August 1521, unterschrieb der Kaufmann Jakob Fugger der Reiche die Gründungsurkunde für die Fuggerei.

Er gründete die Reihenhaussiedlung auch im Namen seiner verstorbenen Brüder Georg und Urlich für bedürftige Augsburger. Der jährliche Mietzins betrug damals einen rheinischen Gulden, heißt es auf der Seite der Stiftung Fugger. Umgerechnet sind das heute 88 Cent. Damit entstand in Augsburg die älteste Sozialsiedlung der Welt.

Wie die Stadt Augsburg auf ihrer Webseite schreibt, sei Jakob Fugger zwischen 1495 und 1525 der bedeutendste Kaufherr und Bankier Europas gewesen. Gestorben ist der Stifter der Fuggerei am 30. Dezember 1525, vor fast genau 500 Jahren.

Vier Jahre vor seinem Tod verfasste er eine Erklärung, die bis heute gilt: „Ich, Jakob Fugger, Bürger zu Augsburg, bekenne mit diesem Brief, (…) der armen Leute Häuser am Kappenzipfel als Stiftung zu vollenden und die Nachfahren auf ewig mit der Vollstreckung zu verpflichten.“

Damit habe einen Generationenvertrag besiegelt, schreibt Deutschlandfunk. Bis heute liegt die Fuggerei-Stiftung in Händen der Fugger-Familie.

88 Cent für Miete - So funktionieren die günstigsten Wohnungen Deutschlands

Die Fuggerei nimmt eine Fläche von 15.000 Quadratmetern in der Nähe der Augsburger Innenstadt ein. 67 Reihenhäuser mit je zwei Stockwerken sind hier zu finden. Insgesamt verfügen sie über 140 Wohnungen, in denen etwa 150 Menschen leben. Dabei finden hier allein lebende Menschen, aber auch Familien einen Platz, heißt es in dem Lifestyle-Magazin Top Magazin Augsburg. Die Wohnungen seien demnach zwischen 35 und 120 Quadratmeter groß. Auch eine Kirche, Museen und ein Verwaltungsgebäude sind in dem Areal untergebracht. Umgeben wird es von einer Mauer, die die Einwohner von der naheliegenden Innenstadt trennt.

Dr. Daniel Hobohm, Geschäftsführer der Fuggerei, erklärt gegenüber dem Magazin, die Wohnungen in der Siedlung seien begehrt.

Wie auch vor 500 Jahren gibt es aber mehrere Bedingungen, die die potenziellen Bewohner erfüllen müssen. So müssten sie schon mehrere Jahre in Augsburg leben, bedürftig sein und dem katholischen Glauben angehören. Fugger wollte zudem, dass die Bewohner der Siedlung drei Gebete am Tag sprechen, das Vaterunser, ein Ave-Maria und ein Glaubensbekenntnis. Das sei auch bis heute so, prüfen würde man diese Voraussetzung aber nicht.

Jeder Bewohner bekomme zum Einzug zudem einen Abdruck des Portraits von Jakob Fugger. Das Original wurde einst von Nürnbergs größtem Promi, Albrecht Dürer, angefertigt.

Vor Ort würden sich Sozialarbeiter um neue Bewerbungen, Vermittlungen und die Bürokratie kümmern, heißt es in einem Artikel der Deutschen Welle (dw).

Aus den Erzählungen der Bewohner geht hervor, dass man sich in der Fuggerei gegenseitig helfe, so koche eine Bewohnerin ab und zu auch für die älteren Menschen in der Siedlung mit, erzählt sie in einer Reportage des ZDFheute.

Um 22 Uhr werden die Tore der Siedlung geschlossen. Wenn ein Bewohner dann noch in die Fuggerei zurückkehren möchte, muss er einem Nachtwächter einen Betrag von 50 Cent bezahlen.

Älteste Sozialsiedlung der Welt - So wird die Fuggerei in Bayern finanziert

Anfangs wurde die Fuggerei aus den Zinserträgen des Stiftungskapitals finanziert, heißt es seitens der Stiftung. 1660 wurde das gesamte Kapital in die Grundherrschaft investiert, seitdem nutze man die daraus folgenden Erträge.

Seit Ende des 18. Jahrhunderts stammen die Erträge überwiegend aus Investitionen in die Forstwirtschaft. Zum heutigen Zeitpunkt sollen 70 Prozent der Einnahmen aus der Forstwirtschaft, 10 Prozent aus Immobilienbesitz außerhalb der Fuggerei und 20 Prozent aus Eintrittsgeldern in die Museen der Fuggerei stammen. Nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aus dem Jahr 2021 sei die Siedlung mit mehr als 200 000 Besuchern pro Jahr eine der größten Touristenattraktionen Augsburgs.

Als die Fuggerei ihr Jubiläumsjahr vom August 2021 bis Juni 2022 feierte, stellten die Verantwortlichen zudem ihre Ideen für eine Fuggerei der Zukunft vor. Es bestehe der Wunsch nach Fuggereien überall auf der Welt. Dabei sollten die lokalen Begebenheiten berücksichtigt werden. Das Konzept „Fuggerei Next500“ solle den Auftrag der Fuggerei weiterentwickeln und „sie als Vorbild für soziale Innovation global zur Wirkung zu bringen“, heißt es auf der Seite der Stiftung.

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