Nürnberg - Morgens immer müde? Das Aufstehen fällt gefühlt in der dunkeln Jahreszeit besonders schwer. Doch was ist dran an dieser Wahrnehmung? Viele Studien beschäftigen sich mit den saisonalen Veränderungen unseres Schlafbedarfs.

Je kälter und dunkler es draußen wird, desto schwerer fällt oftmals das Aufstehen am Morgen. Auch tagsüber fühlt man sich häufig schlapper als an einem warmen Sommertag. Doch ist das Einbildung oder brauchen wir im Winter tatsächlich mehr Schlaf? Mit diesem Phänomen beschäftigen sich zahlreiche Forschende in Studien. Und diese Untersuchungen legen nahe: Unser Schlafverhalten ändert sich in der dunkeln Jahreszeit nicht nur gefühlt, sondern tatsächlich. Aber: Zwar berichten zahlreiche Menschen davon, den erhöhten Schlafbedarf in der dunklen Jahreszeit deutlich zu spüren, wissenschaftlich belegt ist er bisher nur in Teilen.

Dieter Kunz, Schlaf- und Chronomediziner am Alexianer St. Hedwig-Krankenhaus in Berlin, sagt gegenüber der Tagesschau, dass Menschen mit Beginn der dunklen Jahreszeit in eine Art Energiesparmodus schalten. Schon unsere Vorfahren hätten sich in ihre Höhlen zurückgezogen, wenn es kalt und dunkel wurde, um Energie zu sparen.

Befragungen hätten wiederholt bestätigt, dass Menschen je nach Jahreszeit ein unterschiedliches Schlafbedürfnis haben. In einer Studie aus dem Jahr 2023 gelang es Kunz dann gemeinsam mit vier weiteren Forschenden zu beweisen, dass das auch messbar ist. Die Forschung spricht von einer „saisonalen Veränderung der Schlafarchitektur“. Laut der Untersuchung ist diese Saisonalität bei Jüngeren stärker ausgeprägt, als bei älteren Menschen und ebenso stärker bei Frauen als bei Männern.

Das Forscherteam rund um Kunz hat bei einer Gruppe von Menschen mit neurologisch-psychiatrischen Schlafstörungen untersucht, wie sich ihr Schlaf über die Jahreszeiten hinweg verändert. Die Ergebnisse zeigen: Während die Dauer des Tiefschlafs über das Jahr hinweg weitestgehend konstant bleibt, ändert sich die Dauer des sogenannten REM-Schlafes - im Winter dauert er länger. Das ist die Phase des Schlafens, während der wir besonders intensiv träumen am Ende der Nacht, wenn das Aufwachen naht.

Mehr Schlaf im Winter? Künstliches Licht beeinflusst die innere biologische Uhr

Da die Probanden an einer Schlafstörung leiden, lassen sich die Ergebnisse der Untersuchung nicht einfach auf gesunde Menschen übertragen. Aber, so Kunz in einem Interview mit dem Spiegel, er gehe davon aus, dass der Effekt bei normal Schlafenden sogar noch stärker ausgeprägt sein könnte, da störende Einflüsse wegfallen. Ergebnisse der Studie zeigen zudem, dass die Gesamtschlafzeit im Winter länger als im Sommer sein kann. Allerdings wird dieses Ergebnis als nicht signifikant eingestuft. Das bedeutet, es kann kein belastbarer Beweis für die Beobachtung geführt werden. Es könnte auch ein Zufall zugrunde liegen.

Christine Blume ist Schlafforscherin und Schlaftherapeutin an der Universität Basel. Sie sagt in einer Podcast-Folge von Deutschlandfunk Nova, der Mensch habe von Natur aus gewisse, vorgegebene Rhythmen. Äußere Faktoren, wie Tageslicht oder Temperaturen, fungieren als Taktgeber, die die Rhythmen wiederum an den Lauf des Tages, Monats oder Jahres einpassen. Die innere biologische Nacht, also die Zeit, in der es dunkel ist und das Hormon Melatonin, das beim Schlafen hilft, ausgeschüttet wird, dauere per se im Winter erst einmal länger als im Sommer. Eine Studie aus Japan habe gezeigt, dass Menschen am Wochenende im Winter rund eine halbe Stunde länger schlafen als im Sommer.

Gleichzeitig werden unsere innere biologische Uhr und die Ausschüttung von Melatonin durch künstliches Licht, das uns ständig umgibt, beeinflusst und verzerrt.

Für eine kanadische Studie wurde eine Gruppe von Probanden zum Campen in die Rocky Mountains geschickt - einmal im Sommer und einmal im Winter. Dabei wurde der biologische Tag-Nacht-Rhythmus gemessen. Es zeigte sich: Im Winter war die innere biologische Nacht mehr als vier Stunden länger als im Sommer. Sie beginnt zu einer ähnlichen Zeit wie im Sommer, aber dauert offenbar deutlich länger. Wichtig dabei ist, in den Bergen sind die Probanden keinem künstlichen Licht ausgesetzt.

Zur Kontrolle wurde dann nochmals der Schlaf einer Gruppe untersucht, die in einer urbanen Gegend lebt und dort - anders als in den Rocky Mountains - künstlichem Licht ausgesetzt sind. Unter diesen Bedingungen zeigte sich: Der biologische Tag-Nacht-Rhythmus ändert sich kaum zwischen Sommer und Winter.

Blume sagt, es sei wichtig, sich zuzugestehen, dass das Schlafbedürfnis im Winter ein anderes ist als im Sommer. Es könne sinnvoll sein, den Schlaf zu priorisieren und zu versuchen, den Alltag so zu organisieren, dass mehr Zeit zum Schlafen bleibt - wenngleich das natürlich nicht für jeden möglich sei.

Auch das Berliner Forscherteam rund um Dieter Kunz kommt zu dem Schluss, dass die saisonalen Veränderungen der Schlafarchitektur Auswirkungen auf die Empfehlungen für Schlafgewohnheiten haben. Bei einer Berücksichtigung des erhöhten Schlafbedarfs im Winter könne es sinnvoll sein, eine Stunde früher ins Bett zu gehen.