Nürnberg/Nürnberg - Düsterere Klänge in heiligen Hallen: Das Festival Sonus Obscura lockte am Samstag mehrere hundert Metal-Fans in die Dreieinigkeitskirche nach Gostenhof. Das steckt hinter der ungewöhnlichen Kooperation.

Seit einem Jahr ist die Dreieinigkeitskirche in Nürnberg-Gostenhof nicht nur ein Ort für Gottesdienste, Taufen und Trauerfeiern, sondern auch ein Veranstaltungsort für Events aller Art - Von Konzerten über Kinderprogramm, Vorträge, Poetry-Slam, Theater bis hin zum Tanz. Das Projekt Kulturkirche wurde 2016 ins Leben gerufen, weil man sich als Kirche öffnen und näher an den Alltag der Menschen im Stadtteil rücken wollte - auch um den schwindenden Zahlen an Gemeindemitgliedern entgegenzuwirken. Nach einem mehrjährigen Umbau folgte im Oktober 2024 die Eröffnung der Dreieinigkeitskirche als Veranstaltungsort. Alle Events werden seitens der Kirchengemeinde ehrenamtlich organisiert, neben dem alltäglichen Kirchengeschäft.

Am 8. November 2025 stand ein ganz besonderes Event auf dem Plan: Das Sonus Obscura (heißt so viel wie „dunkler Klang“)- ein eintägiges Metal-Festival für das über 400 Fans der harten Musik nach Nürnberg pilgerten. Das Event war binnen kurzer Zeit, bereits Monate im Voraus ausverkauft.

Auf dem Line-Up zu finden waren sieben Bands aus dem In- und Ausland, die vorwiegend das Genre Doom-Metal bedienen, eine Subgenre, das sich durch eher langsames Tempo, harte Riffs und melancholisch-düstere Melodien auszeichnet. Headliner des Abends waren Dool aus den Niederlanden. Außerdem angereist: Saturnalia Temple aus Schweden, Takh aus Belgien sowie Daevar und Coltaine aus Köln und Stuttgart und Kaputth aus Nürnberg. Im Vorfeld des Events sprachen wir Sonus Obscura-Veranstalter Simon Gani und Anja Fuchs, Pfarrerin der Dreieinigkeitskirche in Nürnberg-Gostenhof und Seeleinsbühl-Leyh.

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Pfarrerin Anja Fuchs und Sonus Obscura-Veranstalter Simon Gani am Tag vor dem Event in der Dreieinigkeitskirche. © VNP

Außergewöhnliches Ambiente - außergewöhnliche Herausforderungen

Warum eine Kirche als Veranstaltungsort und nicht eine der zahlreichen anderen Eventlocations, will ich von Gani zu Beginn unseres Gesprächs wissen. „Das Gebäude an sich und auch wie so ein Gebäude auf einen wirkt und natürlich auch die Akustik machen eine Kirche sehr speziell.“ Der 45-jährige gebürtige Stuttgarter lebt seit 12 Jahren im Raum Nürnberg und veranstaltet seit seiner Jugend hin und wieder Konzerte. „Ich hab immer gesagt, wenn ich hier wieder ein Konzert mache, dann mache ich das auf eine besondere Art und Weise.“ Als er dann vor einigen Jahren vom Umbau der Dreieinigkeitskirche zur Kulturkirche erfahren hat, war er Feuer und Flamme für die Idee, ein Metal-Festival dort zu veranstalten. „Es soll Leute zusammenbringen, genau das ist ja auch die Idee der Kirche: Leute kommen zusammen und haben eine tolle Zeit.“

Genau diesen Aspekt schätzt auch Pfarrerin Anja Fuchs besonders an der Kulturkirche in Gostenhof. Sie schwärmt vom Gemeinschaftsgefühl bei den Musikveranstaltungen, bei denen Menschen in der Kirche gemeinsam singen und tanzen und aus dem Individuum eine Einheit wird. Getanzt wurde am Samstag zwar eher weniger, dafür geheadbangt und zu den Riffs im Takt gewippt, die die kleine, aber passionierte Doom-Gemeinde in Ekstase versetzte.

Doch das besondere Ambiente, das eine Kirche als Konzert-Location bietet, bringt auch spezielle Anforderungen mit sich, die den Veranstalter in den Monaten vor dem Debüt des Sonus Obscura immer wieder vor Herausforderungen stellte. So konnte beispielsweise zum Schutz der wertvollen Kirchenorgel keine Nebelmaschine eingesetzt werden, weil diese besonders vor zu viel Feuchtigkeit geschützt werden muss. Die in der Kulturkirche verbaute Musikanlage reichte für die Belange einer Metal-Veranstaltung dieser Größenordnung nicht aus. „Da fehlte der Wumms“, so Gani. Also musste eine eigene Anlage organisiert werden. Toiletten gibt es in der Kirche nur zwei - nicht genug für mehr als 400 Menschen, die die Veranstaltung mit dem ein oder anderen Bier in der Hand genossen. Also mussten Dixi-Toiletten her. Es fehlten Rückzugsmöglichkeiten für die Bands, daher mussten Backstage-Bereiche geschaffen, der Bierausschank und damit verbundene Lizenzen sowie Catering organisiert werden.

Die letzte Hürde stellte kurz vor Start des Festivals der Gostenhofer Adventszauber dar, der am 13. November als erster der zahlreichen Nürnberger Weihnachtsmärkte eröffnet wird. Dieser wird bereits rund um die Kirche aufgebaut - ein Hindernis für Bands, die Platz brauchten, um ihr Equipment in die Kirche zu bringen und ihre Tourbusse zu parken - mitten in einem dicht besiedelten Gebiet. Dank der guten Zusammenarbeit zwischen Veranstalter-Team, Adventszauber-Organisator Kurt Grauberger sowie der Gemeinde konnten all diese Hürden letztlich überwunden werden. Und sind ein Learning für kommende Ausgaben des Festivals - sowohl Veranstalter als auch Pfarrerin schließen das nicht aus.

Kirche und Metal? Vorbehalte, Vertrauen und gemeinsame Werte

Der Weg von der Idee bis hin zum Event Sonus Obscura zog sich über rund eineinhalb Jahre. „Bauchschmerzen“ in Hinblick auf das Metal-Konzert in ihrer Kirche habe man als Gemeinde schon gehabt, verrät Fuchs. Neben der Sorge um die Größe der Veranstaltung wollte man vor allem sicherstellen, dass die Texte der auftretenden Bands mit den Werten der Kirche übereinstimmen. Die Sorge vor rechtsradikalen Inhalten war beispielsweise ein Bedenken, das im Vorfeld aus dem Weg geräumt werden musste. „Wir haben uns mit Simon Gani aber immer mal wieder zusammengesetzt und das Gespräch gesucht und wir haben Vertrauen zu ihm gefunden. Da haben wir gesagt, das probieren wir aus.“

Die Sorge rührt wohl daher, dass bestimmte Subgenres des Heavy Metal tatsächlich ein Problem mit Rechtsextremismus haben beziehungsweise rechtsextrem sind. Das betrifft natürlich nur einen kleinen Teil der Szene. Parallel dazu haben sich Strömungen entwickelt, die mit ihrer Musik und ihren Inhalten bewusst ein Zeichen gegen Diskriminierung, Hass und Hetze setzen wollen und sich klar gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus positionieren. Zu letzterem gehört auch Veranstalter Gani und sein Team aus ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern rund ums Sonus Obscura. Die Sorge der Kirchengemeinde war daher zwar nachvollziehbar, in diesem Fall aber unberechtigt.

Veranstalter Gani legte bei der Auswahl seiner Bands nicht nur Wert auf Künstler, deren Inhalte frei von Diskriminierung sind, sondern auch auf einen für die Szene vergleichsweise hohen Frauenanteil: Bei vier von insgesamt sieben Bands standen Frauen am Mikro. Pardis Latifi, Sängerin der Band Daevar hob während ihres Auftritts ihren Bass - auf dessen Rückseite war der Slogan „Women Life Freedom“ zu lesen. Latifi setzt sich unter anderem für die Frauenrechtsbewegung im Iran ein und thematisiert diese auch regelmäßig in Songs und Ansagen auf der Bühne.

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Auch die Pfarrerin war dabei

Gäste und Veranstalter verlassen das Sonus Obscura im wahrsten Sinne des Wortes beseelt: Die besondere Atmospähre aus Doom-Metal und kirchlichem Ambiente, untermalt mit einer stimmungsvollen Lichtshow, kam beim Publikum sehr gut an. Auch die Pfarrerin ist bereits im Vorfeld der Veranstaltung von der außergewöhnlichen Kooperation überzeugt: „Der November ist im Kirchenkalender ein wichtiger Monat und jetzt, wo ich mich ein bisschen über die Musik informiert habe, kann man da gut in die Richtung was zusammen machen. Diese Melancholie der Musik, das passt wunderbar in den November. Uns fehlt die Sonne, wir haben den Volkstrauertag, Buß- und Bettag, wo wir auch nochmal nachdenken über unser Jahr, wie ist es gelaufen, wo will ich umkehren (...) dann haben wir den Ewigkeitssonntag, an dem wir an die Verstorbenen denken (...) man feiert den Tod beziehungsweise das Leben danach. Dieses Atmosphärische, das dann durch die Musik entsteht, viel schwarze Kleidung - passt wunderbar.“

So sind Gani und Fuchs sich einig: Aus dem tristen, dunklen und für viele Leute negativ behaftetem Gefühl im November, lässt sich mit den richtigen Veranstaltungen gemeinsam etwas Positives erschaffen. Und das ist dem Sonus Obscura zweifelsfrei gelungen.

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