Nürnberg - Enrico Valentini ist beim Club zur Legende geworden, er war Kapitän und ist heute Trainer der U14 im NLZ. Im Podcast „Ka Depp“ spricht Valentini über seinen Glauben - und äußert sich problematisch zu Homosexualität.

Wer war der schlechteste Trainer, unter dem er beim 1. FC Nürnberg spielte? Was ist eigentlich das Problem an einer Pizza Hawaii? Und wie hängt der Unterschied von Glaube und Religion mit seinem Austritt aus der katholischen Kirche zusammen? Als Gast im Podcast „Ka Depp“ des Verlag Nürnberger Presse sprach Enrico Valentini über die großen und kleinen Dinge des Lebens.

Die Folge stieß bei den Fans auf großen Anklang, in den Kommentaren auf der Streaming-Plattform Spotify und auf X lobten die Hörer nicht nur das Interview per sé, sondern insbesondere das ehrliche, authentische Auftreten des Interviewgastes. „Eine richtig gute Folge (…), lohnt sich definitiv reinzuhören. Vale ist einfach ein soooo mega toller Mensch“, schrieb ein User. Ein Hörer erlebte „Valentini pur und ohne Schönreden“, ein weiterer lobte, dass der ehemalige Kapitän „sehr vom Herzen her“ spricht.

So positiv die Resonanz auf die Folge im Allgemeinen, so kritisch können manche Aussagen des 36-Jährigen bewertet werden. Denn: Valentini ließ insbesondere mit seiner Meinung über Homosexualität, noch immer einem Tabuthema im professionellen Männerfußball, aufhorchen.

Homosexualität – und der Unterschied zwischen Akzeptanz und Toleranz

Zum Kontext: Nachdem Valentini – ein gläubiger Christ, der aus der katholischen Kirche ausgetreten ist und nun einer freien Gemeinde angehört – über seinen Glauben gesprochen hat, lenkte Podcast-Host Uli Digmayer das Gespräch auf eine mögliche Schattenseite. Demnach könne dieser Glauben auch kritisch gesehen werden, wenn er ins Dogmatische und Konservative abkippt und etwa die Akzeptanz von Homosexualität infragestellt.

Zwar betonte der 36-Jährige wiederholt, dass er großen Wert auf Gleichbehandlung legt: „Einen Homosexuellen behandele ich ganz genauso, wie ich jeden anderen Menschen auch behandeln würde. Wie ich behandelt werden möchte, so behandele ich andere Menschen. Ich begegne jedem Menschen mit Nächstenliebe – ob schwarz, weiß, grün, lila, ob er homosexuell ist oder was seine Pronouns sind.“

Allerdings deutete er auch an, Homosexualität eben nur zu tolerieren, aber nicht zu akzeptieren: „Bin ich einer Meinung mit Homosexuellen und dem, was sie praktizieren? Nein.“ Er würde zwar nicht proaktiv auf einen Homosexuellen zugehen und seine Meinung ungefragt preisgeben – „Schmeißt den Stein, wer ohne Schuld ist“ – aber wenn ein Homosexueller ihn fragen würde „Findest Du es falsch, was ich mache?“, dann würde er ihm seine Meinung sagen.

Toleranz statt Akzeptanz - Was genau bedeutet das? Toleranz beschreibt das passive Dulden und Ertragen von einer Meinung oder Verhaltensweise eines Anderen – man erlaubt dem Anderen, so zu sein, ohne die Person zu verurteilen. Akzeptanz betrifft die tiefere, positivere Ebene und meint das aktive Annehmen und Anerkennen, das Gutheißen und Billigen der Meinung oder Verhaltensweise.

Weiter sagte Valentini: „Das ist genauso, wie wenn ich zu einem Rassisten sage: ‚Was Du machst, ist falsch.‘ Das ist genau dieselbe Geschichte.“ Vergleicht der Nürnberger hierbei Rassismus mit Homosexualität? Zumindest lässt sich seine Aussage so interpretieren - ein mindestens fragwürdiger Vergleich.

Natürlich ist Glaube Privatsache. Und Valentini äußert sich nicht offen homophob – seine Aussagen lassen jedoch zumindest eine gewisse Haltung erkennen, die Fragen aufwirft. Gerade vor dem Hintergrund, dass er über viele Jahre Kapitän des 1. FC Nürnberg war, als Identifikationsfigur gilt und heute als U14-Trainer weiterhin eine prägende Rolle im Nachwuchsbereich spielt, wirkt diese Haltung schwierig vereinbar mit dem weltoffenen und toleranten Selbstverständnis des Vereins.

FCN bezieht Stellung

Auf Anfrage unserer Redaktion hat der Verein Stellung dazu bezogen und betont, dass der FCN ein klares Leitbild und klare Werte hat und außerdem in seiner Satzung einen Wertekompass definiert, „der vorsieht, dass alle Menschen gleich behandelt werden“. Dafür stehe der Verein und das werde auch im Verein gelebt. „Und so haben wir Enrico bislang auch in der jahrelangen täglichen Zusammenarbeit erlebt“, so der Verein, „Wir haben ihn bisher durchweg als offenen und toleranten Menschen kennengelernt, der im Verein immer alle eingebunden und mitgenommen hat.“

Der Verein schickt außerdem ein Statement von Valentini selbst mit. „Ich bin ein gläubiger Mensch und orientiere mich in meinem Leben an der Bibel“, heißt es, „Wenn ich mit meinen davon geprägten Aussagen, vor allem in der Art und Weise, wie ich sie formuliert habe, jemanden verletzt habe oder sich jemand dadurch angegriffen gefühlt hat, möchte ich hiermit um Entschuldigung bitten.“ Er behandle alle anderen Menschen so, wie er selbst auch behandelt werden wolle. Valentini begegne daher jedem Menschen mit Nächstenliebe und Respekt, „insbesondere in meiner Verantwortung als Trainer der U14 möchte ich das nochmals betonen“.

Inwiefern die im Podcast getätigten Aussagen von Enrico Valentini mit den Werten des 1. FC Nürnbergs in Einklang gebracht werden können, ließ der Verein unbeantwortet.


In eigener Sache

Wer nur eine Folge unseres Podcasts „KaDepp“ gehört hat, weiß, dass es in diesem Format zwar um Fußball im Allgemeinen und den 1. FC Nürnberg im Speziellen geht, dass sich Uli Digmayer, Sebastian Gloser und Fadi Keblawi aber auch immer wieder über kulinarische, musikalische und gesellschaftliche Themen und Politik austauschen. Bei der Einladung von Enrico Valentini ging es allerdings um seine lange Zeit als Profi und Kapitän des 1. FCN und seine neue Karriere als Jugendtrainer. Das Thema Glaube entwickelte sich aus dem Gespräch heraus. Als Host fragt Uli Digmayer aus seinem journalistischen Instinkt heraus nach. Es war aber zu keinem Zeitpunkt unser Vorhaben, Valentini zu diesen Aussagen zu provozieren.

Die Redaktionen von nordbayern.de und NN.de arbeiten unabhängig voneinander. Die nachvollziehbare Initiative, Valentinis mindestens missverständliche Aussagen journalistisch einzuordnen und beim 1. FC Nürnberg um eine Stellungnahme anzufragen, ging von nordbayern.de aus. Nun ist „KaDepp“ aber ein Format, das sowohl auf nordbayern.de als auch auf nn.de ausgespielt wird, weshalb wir uns nach mehreren Diskussionsrunden entschieden haben, diesen Text auf beiden Portalen zu veröffentlichen.

Es ist uns bewusst, dass nicht alle Fans des 1. FC Nürnberg diesen Text positiv aufnehmen werden. In zahlreichen Reaktionen wurde aber auch an uns herangetragen, dass vor allem nach dem Austausch über Valentinis Glauben viele Fragen offen geblieben sind. Valentini ist ein verdienter, sympathischer Ex-Profi, der für seine Offenheit bekannt und beliebt ist. Seine Leidenschaft für den Verein ist authentisch, seine Reichweite groß. Genau deshalb ist es wichtig, seine Aussagen einzuordnen und auch eine Stellungnahme seines Arbeitgeber zu erbitten. Im besten Fall schaffen wir so ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, Menschen unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Identität oder ihrem Glauben nicht nur zu tolerieren, sondern auch zu akzeptieren.

Es mag naiv sein, aber wir wünschen uns, dass sich unsere Leserinnen und Leser mit unserer Berichterstattung ebenso kritisch und differenziert auseinandersetzen, wie wir daran gearbeitet haben. Dieser Wunsch wird uns so manche beleidigende Reaktion nicht ersparen. Das ist auch okay. Für Enrico Valentini erhoffen wir uns jedoch eine faire Auseinandersetzung.

Sebastian Böhm
Ressortleiter Sport/nn.de