Nürnberg - „Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre war zur Zeit der Dinosaurier viel höher - und trotzdem war die Erde ein blühender Garten!“ Klingt logisch, ist es aber nicht. Warum dieser Vergleich hinkt und was dabei übersehen wird.

„Experten beunruhigt: Drastischer CO2-Anstieg in der Atmosphäre - Konzentration so hoch wie nie zuvor“, lautete der Titel eines Artikels, den die dpa am 15. Oktober veröffentlichte und der auch seinen Weg auf die Facebook-Seite von nordbayern.de fand, wo er innerhalb kürzester Zeit die Leugner des menschengemachten Klimawandels anzog wie das Licht die Motten.

Ein durchaus spannender Vorgang, denn während noch vor einer Weile „aber die Pflanzen brauchen doch CO2 - also je mehr, desto besser“ das am häufigsten angebrachte „Argument“ war (das übrigens vollkommener Unsinn ist, wie wir hier bereits erklärt haben, weswegen dieser Punkt hier keine Rolle mehr spielen soll), hat sich die Szene inzwischen etwas Neues ausgedacht: Sie bedient sich bei der Erdgeschichte.

Und das geht so: „Damals, als die Dinosaurier lebten, war der CO2-Gehalt viel höher als heute! Trotzdem war die Erde grün und lebendig!“ Klingt nach einem großartigen Argument gegen die Sorge um steigende Emissionen - und nicht nur das: In der Sammlung von vermeintlichen Gründen, warum wir wirklich unbedingt alles so lassen sollten, wie es ist (inklusive der ungebremsten Verbrennung von Öl und Kohle), ist das eine der wenigen Aussagen, die ausnahmsweise kein an den Haaren herbeigezogener Quatsch ist, sondern sogar rundherum korrekt.

Wenn man aber genauer hinsieht (vorausgesetzt, man möchte das überhaupt), zeigt sich schnell, dass dieser Vergleich nicht nur irreführend, sondern wissenschaftlich unhaltbar ist: Schließlich ignoriert er zentrale Unterschiede zwischen damals und heute - und das in mehrerlei Hinsicht.

Höherer CO2-Gehalt? Ja, aber...

In der Kreidezeit, also vor etwa 145 bis 66 Millionen Jahren, lag der CO2-Gehalt der Atmosphäre teils bei über 1000 ppm (parts per million, das sind umgerechnet 0,1 %) und damit mehr als doppelt so hoch wie in unserer heutigen Zeit. Die Erde war grob geschätzt 6-12 Grad wärmer, die Polkappen waren weitgehend eisfrei, die Meeresspiegel lagen deutlich höher - und bis in hohe Breiten herrschten tropische Bedingungen. Durch das feuchte Klima („Treibhausklima“) gab es trotz der hohen Temperaturen kaum Wüsten.

Diese Verhältnisse entstanden jedoch nicht abrupt, sondern über Millionen Jahre hinweg - die Erde hatte also Zeit, sich an diese Bedingungen anzupassen. Der heutige rapide CO2-Anstieg ist dagegen eine Störung eines fein ausbalancierten Klimasystems, das sich über die letzten 10.000 Jahre, also seit Beginn der menschlichen Zivilisation, kaum verändert hat.

Die Geschwindigkeit ist das Problem

Es ist zwar richtig, dass die Erde in ihrer Geschichte viele Klimaveränderungen erlebt hat (was auch eines dieser gerne vorgebrachten „Argumente“ von Leugnern des menschengemachten Klimawandels ist), aber nie in einem Tempo wie heute. Seit der industriellen Revolution hat sich der CO2-Gehalt von etwa 280 ppm auf über 420 ppm erhöht, was einen Anstieg um rund 50 Prozent in nur 150 Jahren darstellt. Das ist ein Tempo, das Pflanzen, Tiere und Ökosysteme überfordert, was sich bereits heute zeigt: Korallenriffe sterben ab, Wälder brennen häufiger, Tierarten verschwinden, und Extremwetterereignisse nehmen zu.

Auch die menschliche Gesellschaft ist davon betroffen - durch Ernteausfälle, Wasserknappheit, Klima-Fluchtbewegungen und zunehmende geopolitische Spannungen. Die Dinosaurier mussten sich nicht um Küstenstädte, globale Lieferketten oder Nahrungsmittelproduktion sorgen. Bei uns sieht das allerdings ein bisschen anders aus.

Nicht für den Menschen geeignet

Die Vorstellung, dass die Erde zur Dino-Zeit ein paradiesischer Garten war, ist romantisch, gleichzeitig aber auch vollkommen realitätsfern. Unser Planet wäre damals für menschenähnliche Wesen unter bestimmten Bedingungen zwar vielleicht bewohnbar gewesen, die Voraussetzungen für eine komplexe Zivilisation wie die unsere hätten aber nicht existiert: Es gab keine stabilen Küstenlinien, keine gemäßigten Klimazonen und keine landwirtschaftlich nutzbaren Böden im heutigen Sinne.

Unsere Zivilisation, Städte, Landwirtschaft und Infrastruktur dagegen sind auf ein stabiles, gemäßigtes Klima angewiesen. Ein Rückfall in die Bedingungen der Kreidezeit wäre für uns daher keine Rückkehr zu einer üppig sprießenden Natur, sondern eine massive Bedrohung unserer Lebensgrundlagen. Schon ein Anstieg des Meeresspiegels um wenige Meter würde beispielsweise Millionen Menschen vertreiben und Küstenregionen weltweit unbewohnbar machen.

Klassischer Fall von Cherry Picking

Der Verweis auf die Zeit der Dinosaurier ist ein klassisches Beispiel für Cherry Picking: Man sucht sich ein Detail heraus, das wunderbar ins eigene Weltbild passt, und ignoriert den Rest. Wissenschaft funktioniert jedoch anders, denn sie betrachtet Zusammenhänge, Dynamiken und Wechselwirkungen.

Der CO2-Gehalt ist nur ein Teil des Klimasystems. Entscheidend ist, wie schnell er steigt, welche Rückkopplungen er auslöst und welche Folgen das für Mensch und Natur hat. Die Forschung zeigt klar: Der aktuelle Klimawandel ist menschengemacht, gefährlich schnell und mit weitreichenden Konsequenzen verbunden. Und wer das durch den Verweis auf die Kreidezeit verharmlost, ignoriert die fundamentalen Unterschiede zwischen einer urzeitlichen Welt und unserer heutigen, hochkomplexen und empfindlichen Zivilisation.