Hamburg - Ein Bild, ein Klick, kein Model mehr nötig? Otto ersetzt menschliche Models durch KI – und stellt damit nicht nur die Modefotografie, sondern auch rechtliche Grundsätze auf den Prüfstand.

Wer kennt es nicht, das Klischee vom überheblichen Model? Und vom exzentrischen Fotografen? Teuer ist die Mode-Fotografie obendrein – dachte sich wohl auch der Online-Versandhändler Otto. Das Unternehmen mit Sitz in Hamburg verkündet nun nämlich, man setze in der Bildproduktion künftig nur noch auf künstliche Intelligenz.

Kinderleicht erstellt man bei Otto mit dem eigens entwickelten „Virtual Content Creator“ also künftig „Model“-Bilder der eigenen Modelinien – ein einziges Bild des Kleidungsstücks genügt. Bis zu 60 Prozent günstiger soll das sein und mit einer Reihe weiterer Vorteile verbunden sein: fünfmal so viele Inhalte wie bislang könne man so pro Tag etwa produzieren. Und Otto verspricht in seiner Pressemitteilung weiter: „Die erstellten Darstellungen erreichen eine so hohe Qualität, dass sie täuschend echt wirken“. Ähnliche Projekte laufen derzeit auch bei Zalando und H&M, berichtet das Handelsblatt. Künftig will Otto auch Produktvideos per KI generieren lassen.

Scharfe Kritik und rechtliche Fragen

Doch das Otto-Projekt ist nicht ohne Kritik: Nicht nur die Models vor der Kamera dürften sich in Zukunft um immer weniger Projekte streiten müssen. Gleiches gilt schließlich auch für die Menschen hinter der Kamera. Das Einsparen von Fotografinnen und Fotografen dürfte den Händlern dabei sogar explizit besonders gelegen kommen, halten diese doch das Urheberrecht an der jeweiligen Fotografie. Neben den Kosten für das Shooting selbst mussten die Mode- und Versandhäuser in der Vergangenheit also auch für die Verwertungsrechte der Bilder zahlen. Auch das entfällt künftig.

Rechtlich ist das Projekt ebenfalls nicht ohne Fallstricke - seit dem 2. August dieses Jahres gilt eigentliche eine Kennzeichnungspflicht unter anderem für realitätsnahe Bilder, die von Menschen als echt wahrgenommen werden könnten. Ob Ottos virtuelle Models darunterfallen, ist nicht abschließend geklärt. Zudem stellt sich die Frage der Qualitätssicherung falscher Abbildungen, schließlich sind Otto & Co. nach wie vor für irreführende Darstellungen haftbar; auch wenn diese von einer KI erzeugt wurden. Und: Da KI-Bilder nicht urheberrechtlich geschützt sind, können sie zwar frei verwendet werden – bieten aber auch keinen Schutz vor Kopien durch Dritte. Ein Nachteil für Otto.

Ein letzter nicht zu unterschätzender Kritik-Faktor: Wie negativ wirken sich die auf geltende Schönheitsideale trainierten KI-Modelle auf die Selbstwahrnehmung der Kundschaft aus? Diese Frage durfte man sich zwar schon zu Size-0-Zeiten, stellen, zwischenzeitlich wurde aber auch die Modeindustrie diverser. Folgt mit den KI-„Schönheiten“ nun die Rolle rückwärts?