Nürnberg - Eigentlich, so warben die Betreiber, sollte das Wohnen in der neu gebauten Anlage besonders günstig sein. Die erste Heizkostenabrechnung schockiert die Bewohner deshalb jetzt umso mehr.

Wie viel haben Sie im letzten Jahr fürs Heizen ihrer vier Wände gezahlt? Vermutlich sind es um die 11 Cent pro Kilowattstunde. Dort liegt nämlich der bundesweite Durchschnitt – zumindest für alle, die mit Erdgas heizen. Vielleicht haben sie Glück und nur 8 Cent bezahlt, vielleicht Pech und bei der Fernwärme den Schnitt von 14 Cent bezahlt. Ziemlich sicher haben Sie aber nicht rund 24 Cent pro Kilowattstunde bezahlt. So erging es aber den Bewohnerinnen und Bewohnern des erst vor wenigen Jahren erbauten und kürzlich eingeweihten Regensburger Viertels, die sich deshalb an die Redaktion gewandt haben - kann Wärme wirklich so teuer sein?

735 Euro Differenz weist die Kostenabrechnung von Ralf O. aus. Aber nicht als Rückzahlung, sondern als Nachzahlungsforderung – und das trotz der ausgesprochen milden fränkischen Winter im Abrechnungszeitraum. Das Dokument liegt der Redaktion vor. Der Grund für die Nachzahlung ist aber keineswegs O.s exorbitant hoher Heizbedarf für seine 87-Quadratmeterwohnung, die er mit einer zweiten Person bewohnt. Nein, vielmehr liegt es an dem hohen Preis, den der Versorger, die „N-Ergie“, im Regensburger Viertel für seine – für alle Bewohnenden obligatorisch zu beziehende – Nahwärme aufruft.

Weit über dem Fernwärme-Preis

Umgerechnet gut 24 Cent pro Kilowattstunde müssen die Anwohnenden berappen. Das scheint mindestens ungewöhnlich, gilt Nahwärme gemeinhin doch als günstiger als Fernwärme, weil weniger aufwendig in der Infrastruktur. Die „N-Ergie“ widerspricht dem jedoch auf Nachfrage unserer Redaktion: „Der Unterschied zwischen Nahwärme und Fernwärme liegt normalerweise in der Größe des Netzes und oft auch in der Erzeugungsstruktur.“ Und weiter: „Prinzipiell ist Nahwärme und Fernwärme dasselbe. Es gibt eine oder mehrere zentrale Wärmeerzeugungsanlagen, die ihre erzeugte Wärme über ein Wärmenetz zu den Kunden transportieren.“

Auf Nachfrage nach marktüblichen Preisen verweist der Versorger wiederum auf die Preistransparenzplattform waermepreise.info. Für Nürnberg findet man dort jedoch nur die Preise für Fernwärme - und die lagen zum Stichtag 1. Oktober 2024 in Mehrfamilienhäusern 13,14 Cent pro mWh - fast 11 Cent weniger, als im neu gebauten Viertel am Stadion fällig werden. Ähnlich hohe Kosten, wie sie nun auf die Bewohnerinnen und Bewohner des neuen Viertels zukommen, finden sich laut der Plattform nur in schlecht erschlossenen Gebieten Brandenburgs.

Antwort des Versorgers

Auf den Fall Regensburger Viertel angesprochen, verweist die Aktiengesellschaft wiederum auf die eingesetzten Wärmeträger. Im neuen Wohnviertel komme demnach ein biogasbetriebenes Blockheizkraftwerk zum Einsatz. Fakt ist: Biogas gilt als deutlich teurer als konventionelles Erdgas. Die „N-Ergie“ verweist zudem auf den sogenannten Wärmepreisindex, auf den sie keinen Einfluss habe. Tatsächlich handelt es sich dabei um einen von mehreren Indizes, die das Statistische Bundesamt unabhängig erhebt und die Marktpreise abbilden. Die Preisentwicklung folgt laut „N-Ergie“ einer vertraglich festgelegten Preisgleitklausel, die sich an diesen Indizes orientiert.

Zudem hätten sich die Kosten seit der Vertragsunterzeichnung im Jahr 2020 durch zusätzliche Posten wie die seitdem verabschiedete Speicherumlage und CO₂-Bepreisung weiter erhöht.

Ein weiterer Preistreiber sind die drastischen Gaspreiserhöhungen infolge des Ukraine-Kriegs – teils über 50 Prozent –, die sich aufgrund der zeitversetzten Indexberechnung erst jetzt in der Abrechnung für 2024 niederschlagen. Inzwischen haben sich die Gaspreise wieder erholt. Auch davon werden die Menschen aber erst mit Verzögerung profitieren.

Besonders brisant ist aber: Der Betreiber der Wohnanlage ist das „Siedlungswerk Nürnberg“, eine GmbH, deren Hauptgesellschafter der Freistaat Bayern ist und die einst zur Linderung der Wohnungsnot gegründet wurde. Das Siedlungswerk warb bei Interessierten vor Einzug mit den günstigen Betriebskosten. Fast wie Hohn wirkt da die nun vorgelegte Abrechnung. Kein Wunder, dass, so liest man es in Whatsapp-Gruppen der Mieterinnen und Mieter, dass die ersten von ihnen schon jetzt wieder aus dem schönen neuen Viertel unweit des Dutzendteichs ausziehen wollen.