
In Nürnberg ist gerade wieder Volksfest. Essensstände und Fahrgeschäfte reihen sich auf dem Volksfestplatz aneinander. Menschen drängen sich durch die Gänge, kaufen sich gebrannte Mandeln, Lángos und Riesenbrezen, fahren Wilde Maus, Kettenkarussell und Riesenrad. Wer dabei oft in den Hintergrund rutscht, sind die Menschen in den Buden und Kassenhäuschen. Die Schaustellerinnen und Schausteller, die die vielen Volksfeste in der Region zum Laufen bringen. Und ihre Familien, deren Leben so anders aussieht als das der meisten.
Denn nicht nur die Betreiberinnen und Betreiber der Stände halten sich über zwei Wochen auf dem Volksfestplatz auf, sondern auch ihre Kinder. Sie zu beschäftigen und auf sie aufzupassen und gleichzeitig den Stand oder das Fahrgeschäft zu betreiben, ist für viele Eltern eine große Herausforderung.
Erst seit dem aktuellen Herbstvolksfest gibt es eine andere Lösung: Eine Betreuung für die Kinder der Schaustellerfamilien. Ein großer Container steht am Rand des Volksfestplatzes mit einem kleinen Außenbereich. Wenn es nicht regnet, können die Kinder hier Trampolin springen und in einer Hüpfburg herumturnen.
Kinderbetreuung kommt gut an
Kinder rennen durch den Raum, der fast den kompletten Container ausmacht. Ein paar spielen mit Knete, ein paar malen. An den Wänden hängen Bilder und Basteleien der Kinder, auf dem Boden liegt Spielzeug. Am Rand stehen Regale mit Stiften, Kuscheltieren, Spielen und Büchern. In einer Ecke ist eine kleine Küchenzeile mit einer Kaffeemaschine. Ein Junge weint, als seine Eltern ihn an der Tür abgeben. Eine Erzieherin setzt sich zu ihm. Die Kinder, die neu hereinkommen, bekommen Papierarmbänder, auf denen ihr Name steht. Manche kennen sich schon lange, andere lernen sich gerade erst kennen.
„Das ist eine super Sache“, sagt Katharina Maisel. Sie und ihr Mann betreiben den Schlemmer Express Maisel auf dem Volksfest. Sie haben viel zu tun, die Arbeit ist immer präsent, sagt sie. „Die Kinder wachsen damit schon auf.“ Hier in der Kinderbetreuung ist ihre Tochter abgelenkt und kann den Tag mit anderen Kindern verbringen, statt die ganze Zeit von Arbeit umgeben zu sein. „Hier gefällt es ihr sogar noch besser als im Kindergarten.“
Früher haben die Maisels versucht, ihre Tochter in den normalen Kindergarten zu bringen. Die Zeiten sind allerdings nicht angepasst an das Leben der Schaustellerinnen und Schausteller während eines Festes. Die Eltern müssen nach langer Arbeit am Abend zuvor früh aufstehen, um ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen, und sie genau in der Zeit wieder abholen, wo eigentlich das meiste los ist am Stand. Die Betreuung am Volksfestplatz dagegen ist „von der Uhrzeit perfekt“. Geöffnet ist sie von 13 bis 19 Uhr, „das nimmt uns viel Stress ab“, sagt Katharina Maisel. Sie könne so tagsüber etwas mehr zur Ruhe kommen.
Diese Zeiten hat die Arbeiterwohlfahrt Nürnberg, die sich dem Thema angenommen hat, bewusst gewählt, „damit auch der Abend noch abgedeckt ist“, sagt Anne Klinger, Bereichsleiterin der Kindertageseinrichtungen bei der AWO und verantwortlich für die Kinderbetreuung am Volksfestplatz. Das Projekt ist relativ spontan entstanden und war deswegen erstmal viel Arbeit in wenig Zeit. Den Container, das Trampolin und die Hüpfburg stellt der Schaustellerverband, die Einrichtung und die Spielsachen hat die AWO aus ihren anderen Einrichtungen zusammengesammelt. „Alle sind motiviert und machen mit“, lobt Klinger.
Vier bis fünf Mitarbeitende betreuen etwa 20 Kinder im Alter zwischen zwei und neun Jahren. Das Angebot wird gut angenommen, dabei ist es sogar etwas teurer als gewöhnliche Kindergärten. 500 Euro kosten die drei Wochen, damit die AWO ihre Kosten decken kann. Staatliche Unterstützung gibt es nicht. „Wir machen das, weil es uns wichtig ist und wir die Familien unterstützen wollen“, so Klinger. In Zukunft soll es auch ein Angebot für Schulkinder und einen Jugendtreff für Teenagerinnen und Teenager geben, ab 2028 können Räumlichkeiten in der Kongresshalle nebenan genutzt werden.
Abwechslungsreich und offen
Auch die Betreuenden, die sonst in Kindergärten oder anderen Einrichtungen der AWO tätig sind, sind zufrieden mit dem Projekt. „Es ist etwas ganz anderes“, sagt Betreuerin Miri. „Die Kinder sind entspannter und offener als im Kindergarten.“ Auch AWO-Springerin Cassandra empfindet die Kinder der Schaustellerfamilien als freigeistiger. „Sie haben eine niedrigere Hemmschwelle.“
Das macht auch die Eingewöhnung am Anfang der drei Wochen leichter. „Die Zeit war schon ein bisschen stressig. Wir hatten ein bisschen Bammel, wie die Eltern reagieren, aber auch die sind sehr entspannt. Und die Kinder kommen gern her.“ Genauso wie die Betreuenden. Miri und Cassandra gefällt besonders die andere Interaktion mit den Kindern und das Abwechslungsreiche. „Es ist nur ein bisschen schade, dass man die Kinder kennenlernt und dann wieder gehen muss“, sagt Miri.
Bis dahin ist jetzt aber erstmal noch etwas Zeit. Und die Kinder können zumindest einen Teil der Arbeitszeit ihrer Eltern mit andern Kindern und in Betreuung verbringen. Auch diejenigen, die sich beim Ankommen etwas schwertun, finden sich schließlich ein. Der Junge, der sich anfangs nicht von seinen Eltern verabschieden wollte, sitzt inzwischen auf dem Schoß einer Betreuerin und schaut einem Mädchen gespannt beim Kneten zu.
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