
Die Plattform „Tea“, ein exklusives Netzwerk für Frauen, wurde Ziel einer koordinierten Cyberattacke. Am Freitag, dem 25. Juli, kursierten plötzlich Links zu einem Archiv mit über 72.000 Bildern, darunter rund 13.000 Selfies mit Ausweisdokumenten, die Nutzerinnen zur Verifizierung hochgeladen hatten. Die Aktion war offenbar kein Zufall, sondern Teil einer gezielten Kampagne aus dem berüchtigten 4chan-Umfeld - mit Verbindungen zur Incel-Community.
Organisiert hatten sich die Angreifer vermutlich über das 4chan-Board /pol/, das für frauenfeindliche, rechtsextreme und Troll-Inhalte bekannt ist. Dort wurde der Aufruf zur sogenannten „Hack-and-Leak“-Kampagne gestartet - mit dem Ziel, die Plattform und ihre Nutzerinnen öffentlich bloßzustellen. Bereits am nächsten Morgen tauchten erste Download-Links auf, begleitet von hasserfüllten Kommentaren wie „Lasst sie fühlen, wie es ist, wenn man bloßgestellt wird“, „Diese Hexenjagd-Plattform gehört zerstört“ oder „Endlich kriegen sie ihr eigenes Gift zu schmecken“.
Sicherheitsexperten sehen in der Aktion mehr als nur einen Hackerangriff: Plattformen wie Tea, die Frauen eine Stimme geben und toxisches Verhalten von Männern sichtbar machen sollen, gelten in Incel-Kreisen als Provokation, weswegen sie entsprechend angegriffen werden.
Die Plattform-Betreiber reagierten schnell: Externe Cybersicherheitsfirmen wurden eingeschaltet, die betroffenen Server isoliert, und man versicherte, dass keine E-Mail-Adressen oder Telefonnummern betroffen seien. Doch der Schaden war angerichtet - nicht nur in technischer, sondern auch in emotionaler Hinsicht, denn viele der geleakten Bilder stammen aus einem Archiv, das laut Tea „zur Unterstützung von Strafverfolgungsbehörden“ gespeichert wurde. Ein Umstand, der bei Nutzerinnen für zusätzliche Verunsicherung sorgt.
Netzwerk zur Bewertung von Dating-Erfahrungen
Der Angriff kam zu einem Zeitpunkt, als Tea gerade dabei war, sich als neue Größe im digitalen Dating-Umfeld zu etablieren - allerdings nicht als klassische Dating-App, sondern als etwas anderes: Der Name „Tea“ bezieht sich auf den englischen Slang-Ausdruck „spill the tea“, was in etwa „auspacken“, „tratschen“ oder „Geheimnisse verraten“ bedeutet. Die Plattform ist also ein soziales Netzwerk zur Bewertung von Dating-Erfahrungen und versteht sich als „virtuelles Flüster-Netzwerk“: Frauen können dort anonym Männer bewerten, mit denen sie Dates hatten oder in Kontakt stehen. Das System basiert auf sogenannten „Green Flags“ (positive Erfahrungen) und „Red Flags“ (Warnsignale). Ziel ist es, toxisches Verhalten sichtbar zu machen und andere Frauen vor schlechten Erfahrungen zu bewahren.
Die App ist so gestaltet, dass Nutzerinnen Profile von Männern nur dann sehen können, wenn sie deren Telefonnummer im eigenen Adressbuch haben, wodurch Missbrauch verhindert werden soll. Gleichzeitig gibt es ein Verifizierungssystem, bei dem Frauen ein Selfie mit Ausweis hochladen müssen, um Zugang zu sensibleren Funktionen zu erhalten - und genau diese Bilder sind es, die nun kompromittiert wurden.
Erstaunlicherweise tat der nun bekannt gewordene Hack der Beliebtheit der App keinen Abbruch - im Gegenteil: Tea schoss auf Platz 1 der US-App-Charts, verzeichnet bereits über 1,6 Millionen Nutzerinnen weltweit und hat eine Warteliste von fast 900.000 weiteren. Besonders auf TikTok verbreiten sich Erfahrungsberichte, Empfehlungen und auch Kritik in rasantem Tempo.
In Deutschland ist Tea ebenfalls verfügbar, allerdings nur auf Englisch und auch nur für iPhones (der Preis beträgt 1,99 Euro), nicht für Android-Geräte. Zahlen dazu, ob und wie intensiv die App in Deutschland genutzt wird, sind derzeit nicht verfügbar.