Nürnberg - Zunehmend reichen Künstliche Intelligenzen (KI) eine helfende Hand. Wie viel Arbeit sollten KIs aber übernehmen - und besonders noch, welche?

Seit Anfang Juni produziert die Band „The Velvet Sundown“ wie am laufenden Band Musik: drei Alben, 39 Titel und mittlerweile 1,4 Millionen monatliche Hörerinnen und Hörer. Eine kreative Pause scheinen die Verantwortlichen wohl nicht in Betracht zu ziehen - etwas, was kaum verwunderlich wäre, denn: Sie haben Jahrzehnte bis Jahrhunderte an Material, von welchem sie sich „inspirieren lassen“.

Dafür müssen die Mitglieder sich weder gestresst über Notenblätter beugen, noch Stunden im Aufnahmestudio verbringen. Die „Band“ „The Velvet Sundown“ ist nämlich synthetisch - und wurde vollständig von einer künstlichen Intelligenz erzeugt.

Irgendwie 70er, irgendwie Vintage und irgendwie komisch vertraut: „The Velvet Sundown“ macht mit seinen Gesichtern, Albumcovers und Musik eine echte Gratwanderung zwischen Originalität und Kopie. Passend, den immerhin sei all dies kein Trick, sondern ein Spiegel. Als fortlaufende künstlerische Provokation wollen die Verantwortlichen „die Grenzen von Autorenschaft, Identität und die Zukunft der Musik im Zeitalter von KI infrage stellt“, heißt es auf ihrem Spotify-Künstlerprofil. „Alle Charaktere, Geschichten, Musik, Stimmen und Texte sind Originalkreationen, die mithilfe von künstlicher Intelligenz als kreativen Instrumenten erzeugt wurden“.

Wer die Gruppe und ihre Inhalte generiert hat, ist bislang unklar. Unter den jeweiligen Alben sind Copyright- und Phonogramm-Copyright-Zeichen zu sehen, die auf den Besitz des eigenen Urheberrechts hinweisen - bedeutet alles, was „The Velvet Sundown“ produziert, gehört „The Velvet Sundown“. Hinter dem Alias könnte sich also eine Person oder ein ganzes Unternehmen verstecken.

Die Band sei: „Nicht ganz menschlich. Nicht ganz Maschine. The Velvet Sundwon lebt irgendwo dazwischen.“

Obwohl die Streamingzahlen für sich sprechen, scheint die Beliebtheit der Band sich in Grenzen zu halten. Unter ihren Social-Media-Beiträgen versammeln sich Kritikerinnen und Kritiker. Die Musik sei weder originär noch können die Bandmitglieder Musik als Kunst wirklich verstehen. „Sie sind Replikanten. Keine Musiker.“

Das Problem mit der KI

Während sich über Geschmäcker streiten lässt, verkörpert „The Velvet Sundown“ noch ein ganz anderes Problem, denn: „KI-Künstlerinnen und Künstler“ lernen von Arbeiten wirklicher Kunstschaffender. KIs können also nur produzieren, indem sie die Arbeit anderer nutzen.

Die GEMA führt deswegen zwei Klageverfahren gegen Anbieter von KI-Systemen. Konkret wirft die Gesellschaft dem amerikanischen Musiktool-Anbieter Suno sowie dem KI-Tool ChatGPT vor, GEMA-Audioinhalte und Songtexte unvergütet zu nutzen, um ihre KI zu trainieren. Etwas, das die GEMA grundsätzlich befürwortet - doch nur verbunden mit fairerer Entlohnung.

„Mit der KI-Charta der GEMA haben wir deutlich gemacht, dass menschliche kreative Leistungen nicht als Gratisvorlage für die Angebote der KI-Anbieter in einer zutiefst wirtschaftlichen Verwertungskette dienen dürfen“, betont Dr. Ralf Weigand, Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA.

Werkzeug oder Erzeuger?

„Wir befinden uns in der Wirtschaft in einer Übergangsphase zwischen einer auf den Menschen ausgerichteten Produktion und einer mehr auf generative KI ausgerichteten Produktion“, sagt Samuel Goldberg, Assistenzprofessor für Marketing an der Stanford Graduate School of Business. Letztendlich müsse man sich die Frage stellen, ob der Output von KIs den genutzten menschlichen Input ersetzen kann.

Laut dem internationalen Dachverband der Verwertungsgesellschaften, Confédération Internationale des Sociétés d´Auteurs et Compositeurs (CISAC), könnte der Markt für KI-generierter Musik und Videos bis 2028 auf 64 Milliarden Euro anwachsen. Musikerinnen und Musiker könnten damit Verluste von rund 24 % einfahren.

Entscheidend sind hierfür aber die Konsumenten und, ob sie Wert darauf legen, dass ihre Kunst menschengemacht ist. Laut einer im Cognitive Research: Principles and Implications-Journal veröffentlichten Studie behalten menschliche Künstlerinnen und Künstler erstmal den Vorteil.

Die im Jahr 2023 veröffentlichte Studie untersuchte konkret, ob und wieso Menschen menschengemachte Kunst gegenüber der KI-generierten vorziehen. Die Forschenden rund um Lucas Bellaiche, Duke University, kamen zu dem Schluss, dass „Menschen dazu neigen, Kunst als Ausdruck einer menschenbezogenen Erfahrung wahrzunehmen“.

Nach dieser Bewertung können kreative Produkte also von nicht-menschlichen KI-Modellen geschaffen werden, „allerdings nur in einem begrenzten Umfang, der immer noch einen geschätzten Anthropozentrismus schützt.“