Nürnberg - Der Angriff Israels auf den Iran hat weltweit für Aufsehen gesorgt und betrifft auch viele Iraner im Ausland. Wie blickt die iranische Diaspora in Deutschland auf den Konflikt? Drei Perspektiven aus Nürnberg.

„Ich habe jeden Tag Heimweh und würde alles geben, um meine Familie wiederzusehen, egal ob im Iran oder anderswo“, sagt Amir. Der 27-Jährige ist vor zehn Jahren als Minderjähriger aus dem Iran nach Deutschland geflohen. Er hat bis heute Angst vor dem Regime. Seine Familie hat er seitdem nicht wieder gesehen.

Nach dem militärischen Angriff Israels auf den Iran und dem darauffolgenden Raketenbeschuss durch die USA herrscht mittlerweile Waffenruhe. Doch für viele iranische Menschen bedeutet der Krieg eine neue Phase der Angst und Unsicherheit. Wie blicken Sie auf die Lage im Mittleren Osten?

„Der schlimmste Alptraum, den ich je hatte, war, dass ich mich im Iran befand, keine Papiere mehr hatte und verfolgt wurde“, erzählt Amir. Amir, dessen Name von der Redaktion geändert wurde, da er aus Angst vor Unterdrückung anonym bleiben möchte, erklärt: „Für das iranische Regime sind Menschen wie ich Betrüger.“ Damit meint er: Menschen, die das Land verlassen haben.

Auf der einen Seite: Hoffnung auf Wandel

Das Regime habe vor Ort das Internet ausgeschaltet. Auch Anrufe seien nicht möglich. Wenn er etwas von seiner Familie mitbekommt, dann, dass seine Mutter die ganze Zeit Panik habe, erzählt er.

„Die Mehrheit der iranischen Bevölkerung ist gegen das Regime“, erklärt Amir. „Wir haben genug davon, wir haben es satt.“ Er habe eine „riesige Hoffnung“, dass sich durch den Angriff Israels auf das Regime etwas ändert und „dass es endlich mal so weit ist, dass das Regime wegkommt.“ Amir ergänzt: „Letztendlich wissen wir, dass das, was Israel macht, nicht schön ist. Menschen sterben. Wir sind damit nicht glücklich.“ Dennoch ist er der Meinung: „Das iranische Volk hat allein nicht die Kraft, sich gegen das Regime zu stellen.“ Wenn überhaupt, dann müsste dieser Widerstand von außen kommen.

Doch nicht alle Iranerinnen und Iraner sehen den Angriff so positiv wie Amir. Ranjbar ist eine iranische Aktivistin aus Nürnberg, die seit über 35 Jahren in Deutschland lebt. Sie ist unter anderem im iranischen Kulturverein „Khayam“ aktiv und setzt sich für andere Geflüchtete ein.

Auf der anderen Seite: Scharfe Kritik am Krieg

Sie denkt, dass auch die geopolitische Lage und die wertvollen Ressourcen des Landes beim Angriff eine Rolle spielten. Erst vor kurzem seien große Vorräte seltener Bodenschätze entdeckt worden. Auch Ranjbar wünscht sich einen Iran, in dem kein islamisches Regime an der Macht ist. Dennoch kritisiert sie den Angriff: „Der Militärangriff ist völlig völkerrechtswidrig. Es ist ein direkter Angriff auf ein souveränes Land. Was aus Raketen und Bomben hervorgeht, ist nicht Freiheit, sondern Tod, Zerstörung und noch mehr Unterdrückung im Inneren“, so Ranjbar.

Sie ist der Meinung, dass jede Veränderung im Iran von innen heraus durch Widerstand und Zusammenhalt entstehen muss und nicht durch Bomben erzwungen werden kann. Ein Beispiel hierfür sei die Frauenbewegung „Frau, Leben, Freiheit“. Ein Krieg würde diese Widerstandskämpfe jedoch zurückdrängen.

Ihre ganze Familie im Iran sei gegen das Regime, aber eben auch nicht für Israel oder die USA, erklärt sie: „Wir wollen Demokratie, aber nicht mit Gewalt und Bomben von außen.“ Um ihre Familie, die mittlerweile in anderen Teilen des Landes Schutz sucht, hat sie große Angst. Auch die wirtschaftliche Lage würde sich durch den Krieg immer weiter verschlechtern.

Die 66-Jährige kann nachvollziehen, dass Andere die Angriffe positiv bewerten, sagt aber deutlich: „Ich bin der Meinung, dass jede Veränderung im Lande durch die Menschen selbst zustande kommen muss.“

Iranischer Menschenrechtsexperte: „Situation ist sehr kompliziert“

S. Mahdi Khodaei ist Doktorand und Menschenrechtsexperte an der FAU Erlangen-Nürnberg. Der ehemalige politische Gefangene des Iran kann die gespaltene Lage der Iranerinnen und Iraner nachvollziehen. „Die aktuelle Situation im Iran ist sehr kompliziert“, so Khodaei. „Die meisten Leute sind nicht glücklich mit dem Angriff – aber sie sind auch nicht glücklich mit dem Regime. Es ist eine Dilemma-Situation.“

„Viele freuen sich über den Tod der Generäle, weil sie bei der Unterdrückung der Proteste der letzten Jahre eine Rolle gespielt haben“, sagt er. Das iranische Volk hätte mehrmals versucht, das Regime zu reformieren und sogar zu ändern, aber es sei vom Regime stark unterdrückt worden. Seiner Einschätzung nach sei es jedoch nicht möglich, einen Wandel von außen durch eine Militäraktion herbeizuführen.

Khodaei schätzt die Situation wie folgt ein: „Das iranische Regime kämpft an zwei Fronten: national und international. Es will seine Schwächen nicht akzeptieren.“ Die Ideologie ihres islamischen Staates sei, die Gesellschaft zu spalten und zu kontrollieren. Dabei habe der Staat auch schon oft versucht, seine revolutionäre Idee zu exportieren.

Laut Einschätzung des Experten würde die iranische Bevölkerung jedoch nicht mit den Zielen des iranischen Regimes übereinstimmen. Dies zeige sich auch an der Einstellung gegenüber Israel. Während das Regime Israel auslöschen will, hätten viele Iraner kein Problem mit jüdischen Menschen: „Es gibt viele Juden im Iran“, so Khodaei. Für die Menschen im Iran sei der Iran nicht dasselbe wie das iranische Regime – sie würden zwischen beiden Dingen unterscheiden.

Amir überlegt: „Wenn es jetzt eine Bewegung geben würde, dann könnte man es schaffen.“ Damit meint er: Etwas am Regime verändern. Für ihn ist die jetzige Situation jedenfalls noch nicht vorbei. Er denkt, dass die Lage vorerst angespannt bleiben wird.