Nürnberg - Während amerikanische Richter KI-Training mit Büchern absegnen, fürchten europäische Verlage und Autoren um ihre Existenz.

Ein Schock für Europas Kreativwirtschaft: Ein US-Bundesrichter hat erstmals das massenhafte Nutzen urheberrechtlich geschützter Bücher durch KI-Systeme erlaubt. Das Urteil aus San Francisco könnte auch ein Warnsignal für deutsche und europäische Autoren sein, die sich schutzlos den Tech-Giganten ausgeliefert fühlen.

Richter William Alsup vom Bundesbezirksgericht in San Francisco entschied am Montag, 23. Juni 2025, in einem Grundsatzverfahren: Er bewertete das Training des LLM-Sprachmodells „Claude“ mit Büchern als „außerordentlich transformativ“ und damit legal. Dennoch kritisierte er die Methoden von Anthropic, dem Unternehmen hinter „Claude“. Anthropic habe über sieben Millionen E-Books aus illegalen Quellen wie „Library Genesis“ heruntergeladen.

„Es ist fraglich, ob ein mutmaßlicher Rechtsverletzer je überzeugend darlegen kann, warum der Download von Raubkopien aus illegalen Quellen zwingend notwendig war“, sagte Alsup laut Reuters. Die Strafe für das Unternehmen könnte astronomisch ausfallen: Bei bis zu 150.000 Dollar Strafe pro Werk droht Anthropic theoretisch eine Schadensersatzforderung von über einer Milliarde Dollar.

Für die klagenden Autoren Andrea Bartz, Charles Graeber und Kirk Wallace Johnson ist das Urteil ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bestätigte das Gericht die Vorwürfe der illegalen Downloads. Andererseits müssen sie akzeptieren, dass KI-Systeme grundsätzlich mit ihren Werken trainiert werden dürfen - ohne Vergütung.

„Wie ein Leser, der selbst schreiben lernen möchte, trainieren Anthropics Sprachmodelle mit den Werken nicht, um sie zu kopieren oder zu ersetzen, sondern um einen völlig neuen Weg einzuschlagen“, begründete Richter Alsup seine Entscheidung, wie Reuters berichtet.

Was bedeutet das Urteil für Europa?

Für europäische Autoren und Verlage ist das US-Urteil ein Albtraum. Was bedeutet das für Europa? Fest steht: Die EU kennt keine „Fair Use“-Regelung, wie in den USA. Das Handelsblatt erklärt zum Thema Urheberrecht und KI: „Generell können KI-Systeme nach deutschem Urheberrecht nicht als Urheber anerkannt werden, da es an einer menschlichen ‚Komponente‘ im Schaffensprozess fehlt.“ Weiter heißt es dort: „Für Unternehmen wird es dann problematisch, wenn Nutzerinnen und Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material in die Systeme laden und dieses Material dann zum Training der Modelle verwendet wird. Anbieter sollten durch die Nutzerinnen und Nutzer vertraglich verpflichtet werden, urheberrechtlich geschützte Eingaben nicht für das Training des KI-Modells zu verwenden.“

Außerdem weist das Handelsblatt darauf hin: „Die den Systemen zugrundeliegenden KI-Modelle sind zunächst nicht dafür ausgelegt, dass Informationen nachträglich wieder gelöscht werden, zudem sind die Modelle für den normalen Anwender erst mal intransparent. Dies ist ein eklatanter Makel, wenn es um die Durchsetzung von Betroffenenrechten geht.“

„Claude“-Entwickler „erfreut“ über Urteil

Ein Sprecher von Anthropic zeigte sich laut Reuters „erfreut“ über die Anerkennung des KI-Trainings als transformative Nutzung. Im Dezember folgt ein Verfahren, um zu klären, wie hoch der tatsächliche Schadensersatz für die illegal beschafften Bücher ausfällt.

Das Urteil ist das Erste seiner Art im Kontext generativer KI und dürfte Signalwirkung für laufende Verfahren gegen OpenAI, Microsoft und Meta haben. Viele europäische Bücher könnten zudem bereits in den Trainingsdaten amerikanischer KI-Systeme enthalten sein - nach US-Recht völlig legal. Für die KI-Branche schafft das Rechtssicherheit in den USA.

Autoren und Verlage stehen vor der Erkenntnis, dass ihre Werke als Trainingsmaterial genutzt werden können, und das ohne Vergütung, solange die Bücher legal erworben wurden. Nur bei illegaler Beschaffung haben sie Aussicht auf Entschädigung.