
Bayerns Ministerpräsident scheint sich von Termin zu Termin zu hangeln. Wenn er nicht seine Follower über Instagram gerade an seinen neusten kulinarischen Exkursionen teilhaben lässt, oder sich bei der Veitshöchheimer Fastnachtssitzung mit aufsehenerregenden Outfits zeigt, ist er regelmäßig in Talkrunden oder auf Pressekonferenzen zu sehen - wie es von einem Politiker in seiner Stellung erwartet wird. Doch ein aktueller Auftritt ruft massive Kritik aus mehreren Lagern hervor. Was ist passiert?
Söder hat sich von „Nius“ - dem Portal des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt - interviewen lassen und legitimiert so die Hetzkampagnen des Portals, finden nicht nur zahlreiche Politikexperten, sondern auch Wähler. Unter anderem erklärt Söder, Migration müsse begrenzt werden. Doch das Problem ist nicht, was er gesagt, sondern was er nicht gesagt hat.
Das als rechtspopulistisch geltende Onlinemedium ist bekannt dafür, Aussagen aus dem Kontext zu rücken, reißerische Aussagen zu veröffentlichen und es mit der Wahrheit nicht ganz so genau zu nehmen. Das Portal wurde Mitte 2023 vom früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gegründet und fällt immer wieder mit irreführenden und rechtspopulistischen Inhalten auf. Medienaufsicht, Journalistenverbände und Medienexperten kritisieren beispielsweise die mangelhafte journalistische Sorgfalt des Portals.
Verfälschte Zitate als „Markenzeichen“
„Nius ist mitten in der bürgerlichen Gesellschaft“, soll Söder gesagt haben - so titelt es das Portal selbst. Fakt ist allerdings: Das stimmt so nicht. Den Namen „Nius“ nennt Söder an keiner Stelle und es ist mehr als fraglich, ob er sich mit seiner Antwort explizit auf die Plattform bezieht. Dennoch stellt das Portal das veränderte Zitat fälschlicherweise als wörtliches Zitat dar und verbreitet es in einem Online-Artikel und als sogenannte Zitatkachel auf Kanälen in den sozialen Netzwerken. Auf der Pressekonferenz am 23. Juni äußert sich Söder schließlich dazu. Ein Reporter des Bayerischen Rundfunks spricht ihn darauf an, dass sein Interview für „Aufregung“ gesorgt habe. Die Kritik sei dem Reporter zufolge zum einen, dass er überhaupt mit dem Portal gesprochen habe - und eine Formulierung im Zusammenhang mit Zuwanderung. „Was entgegnen Sie auf die Kritik, dass das ein Fischen am rechten Rand sei?“, wird Söder gefragt.
Der Ministerpräsident antwortet wörtlich: „Ganz im Gegenteil. Das ist mitten in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie erleben ja alle, wie die Realität ist.“ Was er mit „das“ meint, lässt sich aus dem Kontext nicht eindeutig feststellen. Allerdings ist es sehr naheliegend, dass seine Antwort sich auf die Frage nach dem Fischen am rechten Rand bezieht. So wird seine Aussage auch in Diskussionen im Netz wird mehrheitlich gedeutet - und nicht als Einordnung des Onlineportals.
Ein Sprecher der bayerischen Staatskanzlei äußerte sich auf Anfrage unserer Redaktion folgendermaßen zu dem Sachverhalt: „In dem von Ihnen genannten medium wurden bereits unter anderem Politiker wie Christian Lindner, Alexander Dobrindt, Carsten Linnemann, Jens Spahn und Wolfgang Kubicki befragt. Die Abschaffung des Bürgergelds in seiner bislang bestehenden Form ist ein Teil des Koalitionsvertrags mit Zustimmung der SPD.“
Grünen-Politikerin schürt Fake-Diskussion an
Eine weitere Aussage aus besagter Pressekonferenz zieht ebenfalls weite Kreise durch die sozialen Netzwerke - weil eine Oppositionspolitikerin Öl ins Feuer gießt. „Söder geht gegen #Spahn. Jetzt beginnt eine neue Phase.“ Mit diesen Worten teilt die Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) einen 22-sekündigen Videoclip von Markus Söder von einer Pressekonferenz am Montag in den sozialen Netzwerken. Versehen ist das Posting zudem mit dem Hashtag „Maskendeals“. In dem Ausschnitt sagt Söder: „[...] bei einer Milliarde, die am Ende wohl vergeigt wurde [...]. Das muss natürlich öffentlich diskutiert werden, und da muss man sich der Verantwortung stellen.“ Anders als es das Posting suggeriert, geht es in dem verkürzten Videoclip von Söder aber gar nicht um den früheren Gesundheitsminister Jens Spahn, der derzeit wegen der Maskendeals während der Corona-Pandemie in der Kritik steht.
Die ganze Pressekonferenz von Söder lässt sich auf YouTube finden, hochgeladen vom offiziellen Kanal der CSU. Dort zeigt sich, dass der Kontext von Söders Worten ein ganz anderer ist, wie auch die „Tagesschau“ berichtet. So wird der bayrische Ministerpräsident von einer Journalistin zum Thema Northvolt befragt. Der schwedische Batteriehersteller hatte im März Insolvenz angemeldet und im Jahr 2023 von der Ampelregierung unter Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Wandelanleihe von 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Es ist also unstrittig, dass sich Söder in dem Statement in Wahrheit weder auf Spahn noch auf die Maskenaffäre bezieht.