Washington - Kurz vor dem US-Angriff auf iranische Atomanlagen flog eine Boeing der US Air Force eine auffällig verschlungene Route nach Washington. Was ist das Besondere an der E-4B Nightwatch - und warum löste ihr Flug sofort internationale Spekulationen aus?

Am 17. Juni 2025 kurz vor 18.00 Uhr (Ortszeit) hob eine Boeing E-4B Nightwatch von der Barksdale Air Force Base in Louisiana ab und landete rund vier Stunden später auf der Joint Base Andrews bei Washington, D.C. - nur wenige Stunden, nachdem im Situation Room des Weißen Hauses eine Krisensitzung zur Lage im Nahen Osten stattgefunden hatte.

Geheim war der Flug zwar nicht, aber er war alles andere als gewöhnlich, denn die Maschine flog nicht auf direktem Weg, sondern zog eine auffällige Schleife entlang der US-Ostküste, umrundete die Grenze zwischen Virginia und North Carolina. Außerdem trug sie das ungewöhnliche Rufzeichen „ORDER01“ – statt des üblichen „ORDER06“. Normalerweise wird dieses Rufzeichen nur bei besonders hochrangigen oder symbolischen Einsätzen verwendet und gilt als Hinweis darauf, dass der Flug eine besondere strategische Bedeutung hatte – etwa zur Vorbereitung oder Absicherung eines möglichen militärischen Eingriffs. Inmitten wachsender Spannungen zwischen den USA, Iran und Israel wirkte dieser Flug wie ein stilles, aber deutliches Signal: Die USA bereiten sich auf den Ernstfall vor.

Die Boeing E-4B ist kein gewöhnliches Flugzeug, sondern gewissermaßen das fliegende Rückgrat der US-Kommando- und Kontrollstruktur im Katastrophenfall. Offiziell trägt sie den Namen National Airborne Operations Center (NAOC), inoffiziell wird sie oft als „Doomsday Plane“ (Weltuntergangs-Flugzeug) oder „fliegendes Pentagon“ bezeichnet. Ihre Aufgabe: Auch dann noch funktionsfähig bleiben, wenn am Boden bereits nichts mehr geht – beispielsweise nach einem nuklearen Angriff, einem massiven Cyberangriff oder einem großflächigen Stromausfall.

Insgesamt existieren weltweit nur vier Maschinen dieses Typs. Sie basieren auf der Boeing 747-200, wurden aber umfassend umgebaut: mit redundanten Kommunikationssystemen, Satellitenverbindungen, Konferenzräumen, Schlafkabinen, einem voll ausgestatteten Krisenzentrum und Abwehrsystemen, um sich gegen Raketenangriffe zu schützen.

Besonders auffällig ist der Schutz gegen sogenannte elektromagnetische Impulse (EMP) – eine Bedrohung, die in einer Welt voller Atomwaffen eine zentrale Rolle spielt. Ein EMP ist eine extrem starke Welle elektromagnetischer Energie, die etwa durch eine nukleare Explosion in großer Höhe oder durch spezielle nicht-nukleare Waffen ausgelöst werden kann. Diese Welle kann elektronische Geräte wie Smartphones, Satelliten, ganze Stromnetze - und eben auch Flugzeuge - in Sekundenbruchteilen lahmlegen.

Anders als beispielsweise eine Kernwaffen-Explosion am oder dicht über dem Boden richtet ein EMP keinen sichtbaren Schaden an, sondern wirkt unsichtbar, blitzschnell und flächendeckend. Ohne spezielle Schutzmaßnahmen wären moderne Kommunikations- und Kontrollsysteme sofort außer Gefecht gesetzt. Die E-4B ist daher mit einer speziellen Abschirmung ausgestattet, durch die ihre Systeme auch im Fall eines EMP-Angriffs in Betrieb bleiben können.

Auch in der Luft betankt werden kann die E-4B Nightwatch, wodurch sie tagelang in der Luft bleiben kann - zumindest in der Theorie. Der bisher längste dokumentierte Nonstop-Flug dauerte über 35 Stunden.

Air Force One und E-4B: Zwei Flugzeuge, zwei Welten

Wer die E-4B sieht und nicht so genau hinschaut, könnte sie für die Air Force One halten, was kein Wunder ist, denn beide basieren auf der Boeing 747. Funktional sind beide Maschinen jedoch nicht ansatzweise zu vergleichen: Die Air Force One ist in erster Linie ein fliegendes Büro und Repräsentationsmittel für den US-Präsidenten. Sie ist komfortabel, hochmodern ausgestattet und dient vor allem diplomatischen und politischen Zwecken. Zwar verfügt auch sie über sichere Kommunikationssysteme und gewisse Schutzmechanismen, für den Betrieb in einem nuklearen oder elektronisch gestörten Umfeld ist sie allerdings nicht ausgelegt.

Die E-4B hingegen ist ein reines militärisches Kriseninstrument, das nicht für Komfort, sondern für Kriegsführung und Notfallkoordination gebaut wurde und, im Gegensatz zur Air Force One, nicht ständig im Einsatz ist. Stattdessen wird sie nur eingesetzt, wenn es wirklich ernst wird – oder wenn geprobt wird, dass es ernst werden könnte.

So wie in diesem Fall, denn dass die E-4B kurz vor dem amerikanischen Militärschlag gegen iranische Atomanlagen abhob, ist kein Zufall. Solche Flüge dienen nicht nur der Einsatzbereitschaft, sondern sie sind auch ein Zeichen der Abschreckung in Richtung potentieller Gegner. Die gesendete Botschaft: Wir bleiben selbst dann handlungsfähig, wenn ihr unsere Bodeninfrastruktur ausschaltet.

Vor nicht allzu langer Zeit wurde eine Maschine, die ebenfalls der Kategorie „Weltuntergangs-Flugzeug“ angehört, in Europa stationiert: 2023 landete eine E-6B Mercury „Looking Glass“ auf Island - mutmaßlich als Botschaft an Russland wegen des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Vergleichbar mit der E-4B ist die E-6B allerdings nicht, denn die auf der Boeing 707-300 basierende Maschine ist nicht nur deutlich kleiner als eine 747, sondern hat auch einen anderen Einsatzzweck: Sie dient primär der Kommunikation zwischen dem US-Präsidenten, dem Verteidigungsministerium und den strategischen Nuklearstreitkräften - selbst dann, wenn alle anderen Kommunikationswege ausgefallen sind.