
Angestoßen wurde die Debatte um Lindemann Ende Mai von der 24 Jahre alten Shelby Lynn, die nach einem Konzert der Band in Vilnius in den sozialen Medien schwere Vorwürfe gegen den Sänger erhoben hatte. Sie behauptete unter anderem, nach dem Konzert bei einer Party des Sängers mit K.-o.-Tropfen betäubt worden zu sein und teilte mehrere Fotos von Hämatomen an ihrem Körper, mit denen sie am nächsten Tag aufgewacht sei. Sie hätte keine Idee, wie und wann die Verletzungen passiert seien, da sie "unter dem Einfluss von etwas" gestanden hätte, sagte die Nordirin.
Gutachten: Fremdeinwirkung unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen
Mithilfe eines rechtsmedizinischen Gutachtens möchten die Anwälte den Sänger entlasten. Dies hatten sie zuvor selbst beim Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln in Auftrag gegeben. In einer auf dem Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichten Presseerklärung teilte die von Lindemann engagierte Kanzlei Schertz Bergmann die Ergebnisse des Gutachtens mit, das sie nur in Ausschnitten öffentlich machte.
Markus Rothschild, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin an der Uniklinik Köln, sei zu dem Schluss gekommen, dass die "wahrscheinlichste Ursache" für Lynns Verletzungen ein "Unfallgeschehen ohne Fremdeinwirkung" gewesen sei. Seiner Einschätzung nach seien die gezeigten Verletzungen nicht "typisch für eine Fremdeinwirkung". Auch hätte man auf den von den Lynn geposteten Aufnahmen "keine Hinweise auf eine sexualisierte Gewalt" gefunden. Hundertprozentig ausgeschlossen werden könne diese anhand der Bilder hingegen auch nicht, ebenso wenig wie ein mögliches Verursachen der Verletzungen durch eine andere Person.
Bereits zuvor hatte Lynn klargestellt, dass sich ihre Vorwürfe gegen Lindemann explizit nicht auf sexuelle Gewalt beziehen: "Till hat mich nicht angefasst. Er hat akzeptiert, dass ich keinen Sex mit ihm haben wollte. Ich habe nie behauptet, dass er mich vergewaltigt hat", so die 24-Jährige in einem Posting auf Twitter. Von der Presseerklärung der Rechtsanwälte zeigte sie sich hingegen unbeeindruckt. Diese sei ihrer Ansicht nach "sehr erwartbar" gewesen. Zudem bemängelte sie, dass die Anwälte in ihrem Statement nur auf einige Aspekte eingegangen wären und etwa die vermeintliche Rekrutierung junger Frauen zum Sex sowie ihre Anschuldigungen im Zusammenhang mit K.-o.-Tropfen außer Acht gelassen hätten.
PRESSEERKLÄRUNG ZU TILL LINDEMANN - Staatsanwaltschaft Vilnius stellt Ermittlungsverfahren ein Rechtsmedizinisches Gutachten in Sachen Shelby Lynn legt Unfallursache ohne Fremdeinwirkung nahe pic.twitter.com/eWO6EKmtl9
— Schertz Bergmann (@schertzbergmann) June 26, 2023
Verfahren gegen Rammstein in Litauen eingestellt
Die Staatsanwaltschaft in Vilnius hatte ihre Ermittlungen gegen Lindemann schon zuvor eingestellt und sich entschieden, kein Verfahren gegen den Sänger einzuleiten. Lynn hatte nach dem Rammstein-Konzert in Litauen Anzeige erstattet und angegeben, unter Drogen gesetzt worden zu sein. Nach Angaben von Schertz Bergmann sei die Einstellung damit begründet worden, dass der Staatsanwaltschaft auch nach der Vernehmung eines Zeugens sowie der Auswertung von Daten "keine objektiven Tatsachenbeweise" vorliegen würden. Lynn hatte die Polizei zuvor kritisiert, mit ihr keinen Drogentest durchgeführt zu haben. Ein Test aus der Apotheke sei zwar negativ ausgefallen, jedoch seien K.-o.-Tropfen nur wenige Stunden nachweisbar.
Welle an Vorwürfen
Als Reaktion auf Lynns Posting Ende Mai erhoben weitere Frauen in den sozialen Medien schwere Vorwürfe gegen den Sänger und erzählten von ähnlichen Erfahrungen. Unter anderem berichteten sie, dass junge Frauen teils ohne ihr Wissen für sexuellen Handlungen rekrutiert worden seien. Auch die deutsche Influencerin Kayla Shyx postete ein Video auf YouTube, in dem sie von ihren Erlebnissen auf einer Aftershowparty der Band berichtete. Daraufhin wurde sie von Lindemanns Anwälten abgemahnt, auch gegen einige Medienberichte ist die Kanzlei laut Presseerklärung bereits vorgegangen. Die Vorwürfe, dass Konzertbesucherinnen unter Drogen gesetzt worden seien, wiesen die Anwälte als "ausnahmslos unwahr" zurück.