Berlin - Harte Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstranten in Lützerath: Beide werfen sich gegenseitig Gewalt vor. Hier erhalten Sie einen Überblick zu den wichtigsten Diskussionspunkten zur Räumung in Erkelenz.

Das Abbaggern des Dorf-Bereichs ist fast vollzogen. In der Sendung "Kampf um Lützerath – Zerreißprobe für die deutsche Klimapolitik?" lädt Anne Will zur Diskussion ein. Unter den Gästen sind einige bekannte Gesichter: Greta Thunberg im Einzelgespräch. Luisa Neubauer, Ricarda Lang, Herbert Reul, Michael Hüther und Mojib Latif kommen zusammen.

Gewaltvorwürfe in Lützerath

Mehrfach hat die Klimaaktivistin Luisa Neubauer den Polizeieinsatz in Lützerath kritisiert. Sie sagt, dass dieser Einsatz "völlig unverhältnismäßig" war. Herbert Reul, Innenminister von Nordrhein-Westfallen, verteidigt die Sicherung der Baustelle: "Das war hochprofessionell und sehr gut, denn wir haben ja damit gerechnet, dass wir sehr, sehr lange Zeit brauchen."

Für den Innenminister wurde sich nicht an Absprachen für eine friedliche Demonstration gehalten. Vermeintlich sei es auf beiden Seiten zu gewaltvollem Verhalten gekommen. Luise Neubauer hinterfragt die "Professionalität" der Beamten: "Das war von Polizeiseite nicht deeskalierend."

Immer wieder wird in der Sendung von einer "hohen Zahl von Verletzten" gesprochen. Doch noch ist unklar, auf welcher Seite die Zahl überwiegt. So Reul: "Wir gehen von hundert verletzten Polizisten aus. Aber diese Zahl muss man sich genau anschauen." Er möchte jeden Fall von Gewalt gründlich überprüfen und bei Rechtswidrigkeit gesetzlich vorgehen.

Lützerath: Eine Symbolpolitik

Auch die anderen Teilnehmer kommen zu Wort bei der Debatte um Lützerath. "Niemand steht über dem Gesetz", erklärt Klimaforscher und Professor Mojib Latif. Bereits zuvor hat er seine Bedenken zur "Letzten Generation" und ihren Aktionen geäußert. Die Großdemo in Erkelenz sei nach Latif ein "Symbol".

Auch Wirtschaftsforscher Michael Hüther behauptet, dass Lützerath "völlig irrelevant" sei; vor allem sei das Abbaggern des Dorfteils unbedeutend für die Klimapolitik. "Ich wäre da nicht hingegangen. Ich halte das für irrelevant. Das ist reine Symbolpolitik" - und diese Art von Symbolpolitik geht laut Hüther in die falsche Richtung.

Für Luise Neubauer hingegen bedeutet die Räumung, dass "die deutsche Regierung politische Signale an andere Länder schickt, indem sie sich schützend vor die fossile Zerstörung stellt."

Kritik an den Grünen

Besonders die Grünen stehen bei der Lützerath-Räumung in der Kritik. Im Einzelgespräch mit Anne Will gibt Greta Thunberg Stellung zur Partei: "Es ist sehr heuchlerisch, was da gerade passiert. Erst an den Demos teilnehmen und dann Lützerath aufzuopfern."

Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang erklärt, dass der Tag der Großdemo "ambivalent" war. Sie versteht die Zusammenkunft von Aktivistinnen, aber betont, dass das Energiekonzern-RWE einen Rechtsanspruch auf das Gebiet hat. Für Lang ist Lützerath eine Alternative zwischen "kein Klimaschutz und mehr Klimaschutz".

Bei der Räumung des Dorfteils handelt es sich um einen Kompromiss. Die Bundesregierung musste sich nach Angaben von Ricarda Lang entscheiden, ob fünf Dörfer abgebaggert werden, was den Wohnort von 500 Menschen gefährden würde - oder ob Lützerath geräumt wird.

Sie erklärt, dass Deutschland mehr Kohle aufgrund des Ukraine-Kriegs und für die Energiesicherheit braucht als ursprünglich geplant. Entscheidend ist es, was mit der Kohle im Boden von Lützerath passiert und "da haben wir bis zum Kohleausstieg 2030 Zeit".

Bis zum Ende der Sendung waren sich die Diskussionsteilnehmer uneinig. Ein Aspekt bringt jedoch alle zusammen: Das Klimaproblem ist eine globale Krise. Laut Hüther "braucht es kein Lützerath" für eine internationale Kooperation.

Sowohl Klimaforscher Latif als auch Thunberg erwähnen, dass Deutschland einer der Länder mit den meist produzierten Emissionen ist. "Deutschland hat die Pflicht, beim Klimaschutz voranzugehen", appelliert Latif. "Ich glaube, wir müssen mal wirklich Ernst machen beim Klimaschutz." Auch Greta Thunberg äußert ihre Bedenken: "Was in Deutschland geschieht, bleibt nicht in Deutschland."