Nürnberg - Mitte Mai hat der Bundestag die Energiepreis-Pauschale beschlossen. Doch zu viele Menschen, die sie dringend bräuchten, bekommen sie nicht. Eine Rentnerin hat deshalb die Ampel-Koalition verklagt. Auch der VdK will klagen.

Wegen der anhaltend hohen Energiepreise zahlt die Ampelkoalition allen Erwerbstätigen eine einmalige Pauschale: Bis zu maximal 300 Euro – je nach Steuersatz – bekommen die meisten Bürgerinnen und Bürger im September dann zusätzlich zum Gehalt auf ihr Konto.

Doch was viele freut, erleben andere als große Ungerechtigkeit. Denn alle, die 2022 keine steuerpflichtige Tätigkeit ausüben, erhalten die Pauschale nicht, wie etwa Rentnerinnen und Rentner, auch jene die Erwerbsminderungsrente beziehen, pflegende Angehörige, und alle, die im gesamten Jahr 2022 lediglich Kranken-, Übergangs oder Elterngeld bekommen. „Dabei belasten die steigenden Preise für Lebensmittel, Heizung, Strom und Sprit auch sie, viele von ihnen sogar in besonderem Maße”, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele. Rentnerinnen und Rentner verfügen im Durchschnitt über deutlich geringere Einkommen als Erwerbstätige. „Sie brauchen die 300 Euro daher umso dringender”, so Bentele.

74-Jährige verklagt Bundesregierung

Eine 74-Jährige aus Pforzheim hat die Ampel-Koalition nun verklagt, weil ihr als Rentnerin kein Energiegeld zustehe. Sie sei jedoch - wie viele ältere Menschen - auf das Geld angewiesen, begründet sie laut Medienberichten ihren Schritt.

Wie Focus Online berichtet, hat Gunhilde Köhler Klage vor dem Sozialgericht in Karlsruhe eingelegt: Sie versorge ihren kranken Ehemann; beide hätten einen Behindertenausweis, bekämen aber keine staatliche Unterstützung. Köhler will mit der Klage letztlich erreichen, dass auch sie die Pauschale von 300 Euro erhält, die die Bundesregierung wegen der gestiegenen Kosten aufgrund der Ukraine-Krise an Erwerbstätige zahlt.

Sie verstehe nicht, weshalb sozial schwächere Rentner und Rentnerinnen in Deutschland das Energiegeld nicht erhalten, dafür aber gut bezahlte Minister und Ministerinnen in Berlin. "Wahrscheinlich haben die in Berlin gedacht, die Alten merken es gar nicht", wird sie in einem Bericht der Bild am Sonntag zitiert. "Das ist doch eine Riesen-Schweinerei", findet sie.

Musterklage des VdK frühestens im nächsten Jahr

Bisher seien alle Proteste gegen die Ungleichbehandlung vieler Menschen, die keine 300-Euro-Pauschale bekommen, gescheitert, so der VdK. Darum will dieser gegen das Gesetz klagen - und "ist bereit, zur Not bis zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen", heißt es. „Diese Ungleichbehandlung ist nicht zu rechtfertigen und wird im Gesetz auch nicht begründet”, sagt Jörg Ungerer, Leiter der VdK-Bundesrechtsabteilung. Der Sozialverband könne allerdings nicht direkt beim Verfassungsgericht Beschwerde einreichen, sondern müsse den Weg durch die Instanzen gehen. Vorliegen müsse dafür der Steuerbescheid für das Jahr 2022, gegen den dann Einspruch eingelegt werden kann. Das wird vermutlich ab Sommer 2023 der Fall sein.

Energiepauschale für Rentner
Gerade ältere Menschen mit wenig Einkommen wären auf die Energiepauschale angewiesen, so der VdK. © Marijan Murat, dpa

Laut VdK wird ein Musterstreitverfahren geführt - also für eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern klagen, die weder die 300 Euro Energiepreispauschale, noch eine Einmalzahlung erhalten, weil sie Grundsicherungs- oder Arbeitslosengeld-1-Empfängerinnen und -Empfänger sind. "Wir werden diese Verfahren für 15 bis 20 Mitglieder, stellvertretend für andere, die von dieser Ungleichbehandlung betroffen sind, verfolgen", so die Bundesgeschäftsstelle. Sollte der VdK vor dem Verfassungsgericht Recht bekommen, profitieren dann auch alle anderen davon, die gegen ihren Steuerbescheid Einspruch eingelegt haben. Dies sollten sie tun, sobald das Musterstreitverfahren am Finanzgericht anhängig ist.

Der Sozialverband werde im kommenden Jahr rechtzeitig über den Stand der Musterklage informieren: "Da der Steuerbescheid für das Jahr 2022 vorliegen muss, um gegen diesen Einspruch erheben zu können, wird ein Musterstreitverfahren frühestens im Sommer 2023 beginnen können. Bis ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, können mehrere Jahre vergehen", heißt es.