Nürnberg - Ein Update für Justitia: Dicke Akten sind am OLG Nürnberg nun Vergangenheit. Die 18. Senate setzen bei neuen Zivilverfahren, Aufgebotsverfahren und Landwirtschaftssachen nun auf digitale Akten - für den Bürger könnte dies künftig kürzere Wartezeiten bedeuten.

Die Pilotphase am Oberlandesgericht München ist abgeschlossen, nun setzt das Oberlandesgericht Nürnberg als zweites bayerisches Oberlandesgericht die E-Akte ein. Was dahinter steckt, klären Justizminister Georg Eisenreich (CSU) und der Nürnberger OLG-Präsident Thomas Dickert per Videokonferenz.

Die Digitaloffensive der Justiz lässt sich in vier Punkten beschreiben: der Rechtsverkehr läuft zunehmend elektronisch, Papierakten werden durch E-Akten ersetzt, in den Gerichtssälen finden zunehmend Videoverhandlungen statt und die Zivilprozessordnung wird modernisiert.


Justiz goes digital: Update für Justitia


Der elektronische Rechtsverkehr ist bereits bei allen Gerichten im Freistaat Alltag, dazu schreibt der Gesetzgeber allen deutschen Gerichten die E-Akte ab 1. Januar 2026 verpflichtend vor.

Heute werden in Bayern bereits 70.000 Zivilverfahren rein elektronisch geführt. 127 Standorte mit 15.000 Arbeitsplätzen wurden bereits mit der E-Akte ausgestattet, mehr als die Hälfte der bayerischen Landgerichte setzen die E-Akte bereits ein, darunter seit Ende 2021 auch das Landgericht Nürnberg-Fürth.


Radikale Reform des Zivilprozesses geplant


Erreicht eine Klage im Instanzenzug nach dem Landgericht das Oberlandesgericht, ist es den dortigen Richtern nun möglich, ebenfalls ohne Papier zu arbeiten. Etwa 4.000 Berufungsverfahren, so Nürnbergs OLG-Präsident Thomas Dickert, gehen jedes Jahr bei dem Gericht ein. Die E-Akte erleichtere den Arbeitsalltag, allein weil im Homeoffice jeder vom Laptop aus auf die Akten zugreifen könne und nicht mehr auf die dicke Papierakte angewiesen sei.

Verfahren werden effektiver bearbeitet

Auch können an einer E-Akte gleichzeitig mehrere Personen arbeiten, etwa die Mitarbeiter der Geschäftsstellen, wenn es um die Ladung von Zeugen geht, die beteiligten Rechtsanwälte, die Richter und Gutachter. Und kein Wachtmeister muss die dicken Aktenberge erst mit einem Wagen durch die Flure des Justizgebäudes von Büro zu Büro karren, kein Rechtsanwalt dicke Aktenberge erst im Waschkorb in die Kanzlei befördern. Und davon soll auch der Bürger profitieren: Die Akten sind weniger unterwegs, Verfahren können schneller und effektiver bearbeitet werden.

10.000 Verhandlungen per Video geführt

Stichwort Videoverhandlung: Im Jahr 2021 wurden in Bayern - freilich gab die Pandemie den Anschub - 10.000 Verhandlungen per Video geführt, die Prozessbeteiligten sparten sich Anfahrtswege und damit Zeit und Geld.

Und das nächste Update für Justitia ist längst geplant. Minister Georg Eisenreich: "Die Zivilprozessordnung ist für die Papierakte gemacht, nicht für die E-Akte."


Kennen Sie unseren Newsletter "Mittags um 12 - Zeit für die Region"?

In unserem täglichen Newsletter "Aktuelles am Morgen" erfahren Sie alles Wichtige über unsere Region. Hier kostenlos bestellen. Montags bis sonntags ab 6 Uhr in Ihrem Mailpostfach.

Die Arbeitsmittel (Laptop statt "Gürteltier", wie die dicken Akten mit ihrer Gürtel-artigen Umspannung heißen) sind modern, aber das Verfahren selbst noch nicht. Die Zivilprozessordnung stammt aus dem Jahr 1877 - und der Zivilprozess läuft nach deren Vorgaben.

Unter dem Vorsitz von Thomas Dickert hat eine Arbeitsgruppe mit 45 Richtern aus ganz Deutschland Vorschläge zur Modernisierung vorgelegt. Noch ist der Zugang für die Bürger zum Gericht weitgehend papiergebunden oder die persönliche Vorsprache ist nötig - dies nennt die Arbeitsgruppe nicht mehr zeitgemäß.

Hacker-Angriffe auf die Gerichte

Auch die IT-Sicherheit behält die Justiz im Blick: Derzeit seien enorm viele Hackerangriffe zu verzeichnen. Olaf Beller, IT-Servicezentrum der Justiz, betont, wie sensibel die Daten im Rechtsverkehr seien - schließlich müssen die ein- und ausgehenden Nachrichten sicher vor Manipulation sein, die Daten verfügbar und deren Herkunft gesichert. Auch der Datenschutz müsse gewährleistet sein.

In der Zukunft ist ein bundesweit einheitlicher Bürgerzugang in Form eines Justizportals geplant, integriert werden sollen sämtliche digitalen Angebote der Justiz, etwa das Online-Mahnverfahren oder die Möglichkeit, an einer "virtuellen Gerichtsverhandlung" teilzunehmen. Perspektivisch müsse auch das Faxgerät als Übermittlungsweg abgeschafft werden - dann kann eine Zivilklage überall in Deutschland auch per Smartphone einreicht werden.