
Herr Rosner, warum ist die Neuorganisation des Jobcenters überhaupt nötig?
Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts müssen die beiden zentralen Aufgaben im SGB II - nämlich die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, also Arbeitslosengeld II oder umgangssprachlich Hartz IV - aus einer Hand erbracht werden.
Dies ist momentan in Erlangen nicht der Fall. Vielmehr sind die sogenannten passiven Leistungen in einem städtischen Amt und die aktiven Leistungen beim Kommunalunternehmen GGFA angesiedelt. Dort ist auch der Betrieb gewerblicher Art, der als Maßnahmeträger Projekte für unterschiedliche Gruppen mit Unterstützungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt durchführt. Wir haben deshalb in den letzten Monaten umfassend geprüft, in welcher Organisationsform künftig die Ziele und Anforderungen am besten rechtssicher „aus einer Hand“ erfüllt werden können.
Was genau soll jetzt passieren?
Das Jobcenter Erlangen bekommt einen Neustart als Eigenbetrieb. Alle drei Bereiche, also aktive und passive Leistungen und der Maßnahmeträger werden neu zugeordnet. Das bietet die Chance, sich als Einheit unter neuer Leitung gemeinsam, dauerhaft stabil und rechtssicher weiterzuentwickeln.
Das klingt so, als ob das nicht von einem Tag auf den anderen geschafft werden kann. Welchen Zeitrahmen haben Sie sich gesetzt?
Ziel ist, im kommenden Jahr 2022 sämtliche für die Umorganisation erforderlichen Vorarbeiten, also Satzungsentwurf, Haushalt, Personal, Wirtschaftsplanung etc., abzuschließen und die notwendigen Beschlüsse für eine Eigenbetriebsgründung zu fassen, damit der neue Eigenbetrieb zum 1.1.2023 seine Arbeit aufnehmen kann. Dafür soll eine Projektgruppe aus Mitarbeitern u. a. von GGFA, Amt 55, Personal- und Organisationsamt und Beteiligungsmanagement eingerichtet werden.
Was bedeutet das Ganze für die Leistungsbeziehenden in Zukunft?
Idealerweise merken sie gar nichts vom Umstrukturierungsprozess. Mein Anliegen und auch das des Erlanger Stadtrats ist ja, dass das, was das „Erlanger Modell“ ausgemacht hat, beibehalten wird. Erlangen ist eine sogenannte Optionskommune, kann also in eigener Zuständigkeit handeln. Dieses flexible Hand-in-Hand-Arbeiten zwischen Leistung, Beratung und Maßnahmen wollen wir auch künftig für die Bürgerinnen und Bürger mit Unterstützungsbedarf gewährleisten. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind, mittel- und langfristig eher Vorteile haben werden, weil sich die Abläufe verbessern können. Denn im Zuge der Umorganisation bietet sich auch die Gelegenheit, einzelne Prozesse und Schnittstellen der Zusammenarbeit zu betrachten.
Welche Auswirkung hat die Umstrukturierung auf die Mitarbeitenden?
Die städtischen Mitarbeitenden bleiben bei der Stadt, lediglich die Organisationsform wird anders sein. Bei den Mitarbeitenden der GGFA wird sichergestellt, dass alle die Einbindung in den Personalkörper der Stadt bekommen. Niemand verliert seinen oder ihren Arbeitsplatz. Eine adäquate Beschäftigung wird gewährleistet. Allerdings gibt es in der GGFA bestimmte Tätigkeiten - etwa im Bereich Hausmeisterdienste und Reinigungskräfte -, die bei der Stadt zentral organisiert sind. Hier müssen wir genauer hinschauen und die Zuordnung klären. Was gut gelaufen ist in der AöR, soll idealerweise im Eigenbetrieb auch weitergeführt werden.
Optionskommunen werden für ihre Leistungsfähigkeit gelobt, weil sie die eigenen Langzeitarbeitslosen besser vermitteln können. Ist das weiterhin gewährleistet?
Wir werden an die bisherige Arbeitsweise des Jobcenters und die strategischen Ansätze anknüpfen, insofern gehe ich davon aus, dass die Erfolge beibehalten werden können. Wir arbeiten sehr daran, dass wir keinen Qualitätsverlust haben.
Wird die Kommunalpolitik weiterhin Einflussmöglichkeiten haben?
Die Rolle des Stadtrates wird meines Erachtens eher gestärkt, weil in einem Werkausschuss unmittelbarer Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik genommen werden kann. Ein wichtiger Aspekt bei der Konzeption des neuen Eigenbetriebes sind die Beteiligungsmöglichkeiten der bisherigen Verwaltungsratsmitglieder, die nicht dem Stadtrat angehören. Ich habe großes Interesse daran, dass auch künftig die Einbindung, insbesondere der Gewerkschaften und der Arbeitgeber in die Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik sichergestellt ist.
Bisher ist es nicht gelungen, die verschiedenen Teile des Jobcenters räumlich zusammenzuführen. Sind Sie da weiter dran?
Ja, das gehört zu dem Auftrag, den wir vom Stadtrat bekommen haben. Wir wollen eine geeignete Immobilie finden, in der wir alle Bereiche räumlich zusammenführen können - und zwar möglichst innenstadtnah.