
Das Virus, hat der bayerische Ministerpräsident jüngst gesagt, interessiere sich nicht dafür, was im Wahlkampf passiert. Das dürfte stimmen, Viren haben keine Interessen. Umgekehrt würde man kaum behaupten wollen, der Wahlkampf schaue nicht darauf, was das Virus gerade so treibt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Markus Söder genau an jenem Tag neue Strategien für Bayern ankündigt, an dem die Opposition im Landtag ihren Fragenkatalog zur Masken-Affäre vorlegt. Der Verdacht gegen einzelne Politiker, sich am Infektionsschutz bereichert zu haben, drückt die angeschlagene Union schwer.
Söder hat sich in der Pandemie als Krisenmanager profiliert, die Idee, dass er für die Union der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre, hat er ganz und gar nicht exklusiv. Dass "der eine oder andere" vor der Wahl in Sorge sei und zögere, hat er jüngst ebenfalls gesagt, und zum Gedanken, dass dieser eine oder andere Armin oder Laschet sein könnte, brauchte es nicht viel Fantasie – es ging, natürlich, um den Kampf gegen Corona.
Die richtige Strategie gibt es nicht
Die Politik hat dabei viel richtig und viel falsch gemacht, meistens ließ sich das erst im Rückblick bewerten, oft blieb es Ansichtssache. Die richtige Strategie gibt es nicht, die im Frühsommer aufgekommene Hoffnung, Corona sei im Rückzug, erwies sich als trügerisch. Darüber, was das Virus gegenwärtig ist, gehen die Ansichten weit auseinander. Bloß noch ein Kinderschnupfen, weil die Risikogruppen überwiegend geschützt sind? Oder eine massiver gewordene Bedrohung, weil die Zahl der Infizierten wieder deutlich steigt? Sind Inzidenzzahlen ein, wie es hieß: Angst-Barometer? Oder bleiben sie ein wichtiges Frühwarnsignal?
Viele Menschen ermüden solche Debatten. Es muss doch einmal aufhören: So klingt das häufig – und führt zu populären Einschätzungen wie jener, dass Menschen ohne Impfschutz gefälligst selbst sehen sollten, wo sie bleiben, dass Grundrechte durchaus nicht für alle gelten müssen. Aber ein Staat ist für alle verantwortlich, auch für Ignoranten, sogar für Dummköpfe und Querulanten. Man vergisst beinahe, welchen Segen die schnelle Entwicklung von Impfstoffen bedeutete, Ungeduld und Unsicherheit machen zunehmend reizbar.
Es geht auch um Gefühle
Für einen immer auch auf Gefühle zielenden Wahlkampf sind das schlechte Voraussetzungen. Einfacher und verständlicher, sagt deshalb nun Söder, müssten Verordnungen werden. Seine Ankündigung, die Auslastung der Kliniken anstelle der Inzidenzzahlen als Maßstab für das Handeln zu nehmen und die FFP2-Maskenpflicht auszusetzen, ist auch ein wenig Wahlkampf-Psychologie zur Beruhigung der Gemüter. Als Krisenmanager wählt der im Blick auf sogenannte Lockerungen lange unerbittlich gebliebene Söder einen Mittelweg zwischen Vorsicht und Entspannung, um möglichst viele Menschen mitzunehmen. Ob es gelingt? Das Virus kann man nicht fragen.
