Nürnberg - Im September beginnt auch in Nürnberg das neue Ausbildungsjahr. Doch allein in der Stadt fehlen 1360 Azubis. So viele von insgesamt 3600 Stellen sind noch zu vergeben. Vor allem in einer Boom-Branche sind noch mehr als die Hälfte aller Plätze frei.

Das neue Ausbildungsjahr startet. Aber viele Firmen blicken mit Sorge in die Zukunft. Sie halten weiter Ausschau nach Nachwuchs. In Nürnberg stehen heuer insgesamt rund 3600 Ausbildungsstellen zur Verfügung. Aktuell aber ist mehr als ein Drittel davon nicht besetzt. 1360 Plätze sind in der Stadt noch zu vergeben, das gilt genauso in anderen Städten. Das zeigen die Zahlen der Agentur für Arbeit.

Bau: Hälfte der Plätze nicht besetzt

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Mittelfranken schlägt Alarm. Die Verantwortlichen befürchten, dass der Fachkräftemangel weiter zunimmt, wenn ein Großteil der Stellen nicht besetzt wird. Besonders die Baubranche ist betroffen - und zwar im gesamten Freistaat. Laut Arbeitsagentur sind bei Hoch- und Tiefbauunternehmen in Bayern derzeit noch rund 1520 Plätze frei. Also etwa die Hälfte aller Lehrstellen.

"Die Corona-Pandemie ist am heimischen Ausbildungsmarkt nicht spurlos vorbeigegangen", sagt Iris Santoro. Sie ist Bezirksvorsitzende der IG BAU Mittelfranken. "In vielen Bereichen bewerben sich deutlich weniger Schulabgänger." Viele Plätze bleiben deshalb frei - obwohl die auch weniger werden. "Teils bieten Firmen weniger Plätze an oder fahren die Lehre ganz zurück", sagt Santoro.

Branche boomt: viel zu tun

Erschwerend kommt hinzu, dass auch der Berufsschulunterricht nicht überall wie gewohnt stattfindet. Doch jeder Azubi, der jetzt fehle, sei in drei Jahren eine dringend gebrauchte Fachkraft weniger, rechnet die Bezirksvorsitzende vor. Das trifft vor allem das boomende Baugewerbe. Die Auftragslage ist weiter hoch, Wohnungen, Gleise, Straßen, in allen Bereichen ist viel zu tun. Die Branche muss deshalb noch mehr Berufsanfänger für sich gewinnen.


Holz, Stahl, Dämmmaterial: Alles wird teurer


Ein gutes Argument haben die Betriebe, weiß Iris Santoro: Die Auszubildenden verdienen im Vergleich mehr als andere Azubis. Das hat eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung gezeigt. Ein angehender Maurer kommt demnach im ersten Ausbildungsjahr auf 890 Euro pro Monat, im dritten sogar auf 1495 Euro. Auch die Aufstiegsmöglichkeiten sind gut.

Vielen ist der Job zu hart

Nur werden die selten in Anspruch genommen. Viele Fachkräfte verlassen die Betriebe nach der Ausbildung, teilt die Gewerkschaft mit. Gründe seien die harten Arbeitsbedingungen und die oft langen, aber unbezahlten Fahrzeiten zu den Baustellen. "Es kommt darauf an, den Bau auch nach der Ausbildung attraktiver zu machen", findet Carsten Burckhardt vom IG BAU-Bundesvorstand. Gerade die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei hier wichtig.

Deshalb fordert die Gewerkschaft in der laufenden Tarifrunde für die Branche eine Entschädigung der Wegezeiten, 5,3 Prozent mehr Einkommen und den Angleich der Ost- an die Westlöhne. "Ohne höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen wird es kaum gelingen, die enorme Nachfrage nach neuen Wohnungen, sanierten Straßen und energetischen Gebäudesanierungen in den kommenden Jahren zu bewältigen."